Tacheles kontra BMW-Guggenheim-Lab?

Während ein bei Touristen beliebter Ort der Berliner Subkultur in Mitte geräumt wurde, reißt die Aufregung über die Ortsverlagerung eines von BMW gesponsertem Lab nicht ab

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Berliner Kunsthaus Tacheles ist in Berlin-Mitte ist längst zum angesagten Touristenmagneten geworden. Dort konnte man bisher die Relikte der Nach-Wende-Subkultur bestaunen. In den letzten Jahren wurde der Spielraum für die Künstler immer enger. Die Grundstücke in der Nähe des Regierungsviertels sind profitabel und daher muss die Subkultur weichen. Viele Künstler und Betreiber wurden mit hohen Geldsummen herausgekauft, den Verbliebenen droht jetzt die Zwangsräumung. Bei einer Versiegelung des Eingangs gab es Rangeleien zwischen Nutzern und Freunden des Tacheles und der Polizei.

Heftige Kritik äußerte der Berufsverband Bildender Künstler in Berlin (http://www.bbk-berlin.de) in einer Pressemitteilung: "Uniformierte Sicherheitsleute, die Künstler in den Schwitzkasten nehmen, Absperrgitter und Passierscheine: das sind Bilder vom Umgang mit Kunst und Künstlern, wie wir sie aus autoritären Regimes, aus Moskau oder aus Peking kennen. Sie kommen aber mitten aus der Kunstmetropole Berlin, sie kommen aus dem weltbekannten Kulturzentrum Tacheles in Berlin Mitte", moniert der bbk-Vorsitzende Herbert Mondry.

Intolerantes Kreuzberg?

"Diese Bilder schaden dem Ruf Berlins mehr als die bizarren Vorgänge um das sogenannte 'Guggenheim-Lab', stellt Mondry den Zusammenhang zu einer Debatte her, die seit einigen Tagen das politische Berlin beschäftigt. Es geht um das temporäre Projekt BMW-Guggenheim, das auf seiner Tour über die Kontinente für einige Wochen auf einer von Anwohnern genutzten Brachfläche in Berlin-Kreuzberg Station machen wollte. Kaum hatten Anwohnerinitiativen Proteste angemeldet, wurde der Standort aufgegeben.

Während die Kritiker einen schnellen Erfolg feierten, wurde in vielen Berliner Medien und in allen großen Parteien über Kreuzberger Kiezfundamentalisten lamentiert, die bestimmen wollen, was in dem Stadtteil erlaubt ist und was nicht. Warum die Stadtteilbewohner nicht mitentscheiden sollen, wird dabei so wenig erklärt, wie die Frage, ob die Lab-Organisatoren nicht mit ihrer Flucht aus Kreuzberg auch unerwünschte Kritik abwehren wollen. Schließlich sollte nach den Vorstellungen des Bürgermeisters von Friedrichshain/Kreuzberg Franz Schulz das Thema Zwangsarbeiter bei BMW im Nationalsozialismus im Lab zur Sprache kommen. Solche unangenehmen Themen dürften den Organisatoren in einem neuen Standort in Berlin-Mitte, um den sich der Berliner Bürgermeister Wowereit und andere Berliner Politiker bemühen, wohl erspart bleiben. Schließlich hat BMW-Marketingchef Ellinghaus das Ziel des Lab-Sponsering eindeutig formuliert:

"Es geht mitnichten darum, möglichst viel für kulturelles Engagement auszugeben, sondern um eine langfristige, positive Wahrnehmung des Unternehmens als auch der Reputation der Marke BMW - auch in der Presse."

Der Berufsverband Bildender Künstler hat einen eigentlich nahe liegenden Zusammenhang zwischen der Aufregung über die Absage des BMW-gesponserten temporären Labs und der Gleichgültigkeit über die Vertreibung einer seit zwei Jahrzehnten existierenden kulturellen Einrichtung hergestellt. Wenn sich Anwohner gegen ein Projekt wehren und damit noch Erfolg haben, wird von Intoleranz geredet, wenn die von Grundstücksfirmen engagierten Sicherheitsfirmen gegen Künstler vorgehen, sind es die Gesetze des Marktes.