Die solare Revolution

Kleine Solarsysteme könnten elektrische Energie bis ins letzte Dorf bringen und dem ärmsten Teil der Menschheit einen gewaltigen Entwicklungsschub geben

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Der rasante Preisverfall der Solarmodule (-30 bis -40 Prozent allein in den ersten elf Monaten 2011) eröffnet ganz neue Perspektiven. Auf einmal scheint es möglich, für die Ärmsten der Armen einen gewaltigen Entwicklungsschritt zu machen. Darauf weist ein Beitrag des Internetmagazins environment360 hin, das von der US-amerikanischen Yale-Universität herausgegeben wird.

1,2 Milliarden meist auf dem Land lebende Menschen sind nicht an das elektrische Netz angeschlossen, rechnet Autor Carl Pope vor. Diese Menschen müssten rund ein Drittel ihres spärlichen Einkommens für Kerosin ausgeben, mit dem sie Lampen betreiben. Das ist unter anderem auch eine sehr gesundheitsschädliche Angelegenheit, denn die Lampen verpesten die Raumluft. 1,5 Millionen Menschen, meist Frauen, sterben jährlich an Atemwegserkrankungen aufgrund der Nutzung von Kerosin.

Und es ist wie gesagt teuer: In zehn Jahren gebe eine durchschnittliche Familie dafür 1.800 US-Dollar aus, so Pope. Hinzukommen vergleichsweise hohe Kosten, um die Akkus der Handys, die viele von ihnen haben, in den Städten aufzuladen. Für nur 300 US-Dollar ist heute aber schon ein Solarsystem mit Panel und Batterie zu haben, das Strom für Beleuchtung, Handy und vielleicht auch noch für Fernseher und Computer liefert.

Das ist immer noch sehr viel Geld, wenn das Jahreseinkommen nur 500 oder 800 Dollar beträgt. Inzwischen gebe es aber verschiedene Finanzierungssysteme, mit denen entsprechende Kleinkredite vergeben werden können. In Zimbabwe biete zum Beispiel ein örtliches Telekom-Unternehmen ein Modell an, bei dem der Kredit für die Solaranlage über die Handyrechnung abgezahlt wird. Weltweit wären nur zehn Milliarden US-Dollar jährlich notwendig, um in zehn Jahren auch den letzten nicht ans Stromnetz angeschlossenen Haushalt mit Solaranlagen zu versorgen. Die Kosten für einen flächendeckenden Ausbau der Netze bis ins letzte Dorf wären mit Sicherheit erheblich größer.

Ein derartiges Programm würde nicht nur Kohlendioxidemissionen im Umfang des britischen Ausstoßes vermeiden, sondern das verfügbare Einkommen der Ärmsten um 25 bis 30 Prozent erhöhen und ihnen durch die besseren Kommunikationsmöglichkeiten zusätzliche Einkommensquellen erschließen.

In Bangladesh laufen entsprechende Programme bereits sehr erfolgreich. 1,1 Millionen solcher solaren Systeme wurden dort bereits verkauft, zum Teil sind sie sogar noch deutlich billiger als 300 US-Dollar. Die aufsummierte Leistung der Einheiten ist im Vergleich zu hiesigen Stromverbrauchszahlen geradezu mikroskopisch, aber die Bedeutung für die Menschen, die nun eine wesentlich bessere Beleuchtung haben und ihre Telefone regelmäßig benutzen können, ist enorm.

Und für die Zukunft der Energieversorgung auch: Pope argumentiert in seinem Beitrag, dass diese Menschen mit wachsendem Wohlstand ihre solaren Systeme ausbauen werden, anstatt sich auf Kohlestrom aus dem Netz zu verlassen. Außerdem könnten sie ihre Nachbarn, jene zwei Milliarden Menschen, die zwar ans Netz angeschlossen sind, aber unter dessen regelmäßigen Zusammenbrüchen und Stromrationierungen zu leiden haben, anstecken. Die würden nämlich sehen, dass solare Kleinanlagen für ihre Bedürfnisse zuverlässiger sind als das in ihren Dörfern und Städten marode Netz. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung könnte somit 200 Jahre fossiler Barbarei überspringen und ihre Entwicklung direkt auf sauberen Energieträgern aufbauen.