… und erneut soll der Rettungsschirm gehebelt werden

Auch für den ESM wird nun der Hebel ausgegraben, der beim temporären EFSF kläglich versagte

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Da die Rettungsbemühungen bisher die verschiedenen Euro-Länder nicht gerettet haben und immer größere Länder wie Spanien und Italien in arge Not geraten, wird nun wieder der Hebel hervorgeholt. Damit soll versucht werden, die Rettungssumme des dauerhaften Rettungsschirms (ESM) auf zwei Billionen aufzuhebeln, womit man sich letztlich auf eine Rettung des drittgrößten Eurolands Italien einzustellen versucht. Der Hebel sollte schon am temporären EFSF angesetzt werden, scheiterte aber bekanntlich kläglich.

Der Spiegel berichtete mit Bezug auf Quellen im Bundesfinanzministerium, dass die verfügbaren 500 Milliarden Euro im ESM nun auf bis zu zwei Billionen Euro aufgehebelt werden sollen, um auch große Länder wie Spanien oder Italien auffangen zu können. "Darüber wird derzeit in Brüssel beraten", zitierte das Nachrichtenmagazin eine Sprecherin aus dem Ministerium von Wolfgang Schäuble. Geplant wird, die für den temporären EFSF geplanten Modelle nun auf den ESM anzuwenden. "Unser Ziel ist, dass der ESM über den gleichen Instrumentenkasten verfügt wie der EFSF", bestätigte die Sprecherin Marianne Kothé inzwischen den Spiegel-Bericht gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.

Angelockt werden sollen private Investoren, um die Rettungssumme aufstocken zu können. Wenn die EFSF-Leitlinien übernommen werden, dann sind es zwei Modelle, über die der ESM aufgehebelt werden soll. So könnte ein Teil der Hilfsgelder genutzt werden, um Investoren, die Anleihen von Krisenstaaten kaufen, einen möglichen Ausfall abzusichern. Mit der Versicherungslösung sinkt das Risiko für die Investoren weiter. Damit, so wird gehofft, fänden sich schließlich Abnehmer für Anleihen, die kaum noch jemand haben will. Die zweite Möglichkeit besteht darin, einen neunen Fonds aus Hilfsgeldern zu speisen, in den auch nicht Euro-Staaten einzahlen. Aus diesem Fonds sollen dann wiederum Anleihen von Krisenstaaten angekauft werden. Das große Problem mit beiden Lösungen war, dass sich wie erwartet im Fall des EFSF keine Teilnehmer fanden, womit das stets fragliche Modell grandios scheiterte.

Jedenfalls ist klar, dass der Hebel in den ESM-Leitlinien nicht vorgesehen ist. Also wird erneut an einem Vertrag herumgedoktert, noch bevor er auch nur in Kraft getreten ist. So ähnlich war es schon Ende Juni als im Bundesrat und im Bundestag über den ESM abgestimmt wurde, obwohl der Vertragstext längst Makulatur war. Es darf auch bezweifelt werden, dass die Aussage des Finanzministeriums stimmt, wonach die deutsche Maximalhaftung auf 190 Milliarden Euro beschränkt bleibt, wie es das Verfassungsgericht gefordert hat.

So ist, wie erwartet, das Thema ESM nicht mit dem Verfassungsgerichtsurteil vom Tisch. Alle Oppositionsparteien gehen davon aus, dass erneut über die Änderung der Verträge im Bundestag abgestimmt werden müsse. Letztlich weist die angestrebte Hebelung auch nur darauf hin, dass man sich auf immer neue Rettungsaktionen vorbereitet. Klar ist, dass Griechenland neues Geld oder einen weiteren Schuldenschnitt braucht. Die Spanien-Rettung wird schon verhandelt und nach Angaben von Experten braucht das Land neben der Bankenrettung in einer Höhe von 100 Milliarden Euro zusätzlich noch einmal mehrere hundert Milliarden Euro.

Wankt auch Irland?

Da man auf zwei Billionen hebeln will, wird letztlich klar, dass man den Rettungsschirm unter Italien aufzuspannen gedenkt, worüber ebenfalls schon verhandelt wird. Denn auf diese Summe beziffert sich der Schuldenstand des drittgrößten Euro-Landes. Die extremen Schulden, nur Griechenland ist im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung noch stärker verschuldet, werden auch deshalb immer drückender, weil das Land tief in der Rezession steckt. Im zweiten Quartal ist die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahr schon um 2,5% geschrumpft.

Portugal wurde durch die Sparprogramme praktisch schon in die Depression gestürzt. Alle Planungen, 2013 das Haushaltsdefizit wieder unter die Stabilitätsmarke von 3% zu bringen, sind längst Makulatur. Damit wird auch das Pulverfass nicht wieder zur Refinanzierung 2013 an die Finanzmärkte zurückkehren können und wie Griechenland eine Rettung 2.0 und wohl auch einen Schuldenschnitt benötigen. Eigentlich wurde das schon damit unterschwellig eingeräumt, nachdem die EU-Kommission nun auch damit begonnen hat, für den angeblichen Musterschüler Extrawürste zu braten. Das Defizitziel wurde 2012 von 4,5 auf 5,0% gelockert, 2013 dürfen es noch 4,5% sein und erst ein Jahr später soll das Maastricht-Kriterium wieder erfüllt werden.

Sogar beim angeblichen Muster-Musterschüler Irland werden die Zweifel größer, ob das Land nicht ebenfalls einen Schuldenschnitt und neue Rettungsmilliarden braucht. So warnt die große Citigroup angesichts der wirtschaftlichen Verschlechterung im Land die Investoren längst vor Ausfällen. "Irland steht vor der fast unlösbaren Aufgabe, die fiskalische Balance wiederherzustellen", sagt Michael Saunders. Da auch das Land in die Rezession abrutscht, könne die hohe Verschuldung, die sich in den letzten fünf Jahren verdreifacht habe, dem Land über den Kopf wachsen, meint Saunders. Wie die portugiesische ist auch die irische Verschuldung schon auf etwa 110 % der Wirtschaftsleistung gewachsen.