Plagiatsverdacht gegen Steinmeier erhärtet sich

Deutscher Hochschulverband protestiert gegen Berufung Annette Schavans in den Münchner Hochschulrat

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Am 29. September wurden Vorwürfe laut, dass der SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende und ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier in seiner Doktorarbeit über "Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit" weite Teile ohne entsprechende Kennzeichnung aus anderen Arbeiten übernommen hat. Weil diese Entdeckung durch eine Plagiatsfindersoftware zustande kam, war nicht klar, inwieweit diese Vorwürfe tatsächlich zutreffen. Mittlerweile liegen auf VroniPlag auch händisch vorgenommene Vergleiche vor, die den Verdacht erhärten: Auf 29 von insgesamt 395 Seiten seiner Arbeit hat Steinmeier größere Textteile übernommen. In sechs davon liegt der Plagiatsanteil zwischen 50 und 75 Prozent, in weiteren fünf sogar darüber. Dass Steinmeier teilweise einen kleinen Teil des übernommenen Texts in Anführungszeichen gesetzt und mit einer Fußnote versehen hat, deutet darauf hin, dass der Politiker wusste, was er tat. Ob ihn die SPD nun noch an Koalitionsgesprächen mit der Union teilnehmen lässt, ist unklar. Gestern war dazu noch keine Stellungnahme aus der Parteizentrale zu bekommen.

Angela Merkel musste ihre Minister Karl Theodor von und zu Guttenberg und Annette Schavan in der letzten Legislaturperiode aus dem Kabinett entfernen, nachdem häppchenweise bekannt wurde, wie ihre Doktorarbeiten zustande kamen. Der Fall Schavan köchelt mittlerweile an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität weiter, die die geschasste Wissenschaftsministerin trotz Aberkennung ihres Doktortitels in ihr "zentrales Aufsichts- und Entscheidungsgremium" berief, den "Hochschulrat". Dieser von Universitätspräsident Bernd Huber vorgeschlagenen Personalie stimmte der komplette Senat zu, darunter auch der offizielle Funktionär der Studentenschaft.

Mittlerweile meldete sich der Deutsche Hochschulverband zu Wort und verlautbarte, dass er dies Berufung Schavans "in ein bedeutendes Leitungsamt einer Exzellenzuniversität" als "Affront" wertet, der "dem akademischen Comment widerspricht". "Führende Positionen in der Wissenschaft" sollten der Berufsvertretung der Hochschullehrer nach "nur diejenigen übernehmen, deren akademische Integrität außer Zweifel steht" und nicht eine Person wie Schavan, die aktuell "den Status einer durch die Universität Düsseldorf überführten Plagiatorin" hat. Der Münchner Universitätspräsident Huber ist dagegen der Meinung, dass das Verfahren noch "schwebt", weil Schavan gegen ihren Titelentzug geklagt hat. Die Betroffene selbst äußert sich bislang nicht zu ihrer Berufung.

Der Grund, warum Huber ausgerechnet Schavan für den Hochschulrat vorschlug, ist offiziell nicht bekannt. Beobachter vermuten, dass er in einer Mischung aus alten Verpflichtungen und der Hoffnung auf finanzielle und rechtliche Begünstigung durch die immer noch gut vernetzte Bildungspolitikerin liegen könnte. Darauf deutet auch eine Äußerung des Physikdekans Axel Schenzle hin, der der Süddeutschen Zeitung offenbarte, er selbst hätte vor einer Entscheidung lieber "das Ende des Prozesses abgewartet", aber die Sache sei eilig gewesen, weil angeblich "auch andere Hochschulen an Frau Schavan dran" waren.