Kapitalflucht in Spanien schon sichtbar

Es wird aufgerufen, Sparguthaben vor einer möglichen Zwangsabgabe in Sicherheit zu bringen

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Die spanische Regierung hat Hinweise darauf, dass die Sparer damit begonnen haben, ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Auf Nachfrage haben gegenüber Telepolis mehrere Banken bestätigt, dass verstärkt Geld abgehoben und ins Ausland überwiesen werde. Es wiederholt sich das, was Spanien schon im Frühjahr 2012 erlebte. Als sich die Bankenrettung und ein Rettungsantrag abzeichneten, kam es zu einer massiven Kapitalflucht. Die Lage wurde so bedenklich, dass das Thema auch auf Regierungsgipfeln behandelt werden musste.

Die konservative Regierung in Madrid weiß, dass viele Spanier Konten im Ausland eröffnet haben. Insgesamt sind 2012 schon 180 Milliarden Euro aus dem Land abgeflossen. Das war eine Steigerung um 144 Prozent gegenüber 2011. Auch einfache Sparer hatten sich vor allem nach Frankreich, Andorra und Gibraltar aufgemacht, um dort Konten zu eröffnen und Geld für Notfälle wie in Zypern zu bunkern. Hatte sich die Situation in den letzten Monaten 2012 wieder entspannt, habe die Zypern-Entscheidung zurückgewonnenes Vertrauen in den Boden gestampft, sind Experten überzeugt.

Deshalb erwartet auch die US-Ratingagentur Moody's schwerwiegende Folgen für Spanien und Italien. Das Risiko der Kapitalflucht sei trotz anderslautender Äußerungen aus der Politik "signifikant", schreibt Moody's. Die britische Financial Times hat unter Berufung auf verschiedene Mitglieder der EU-Kommission berichtet, dass auch in Brüssel befürchtet wird, dass es zu einer massiven Kapitalflucht aus Krisenländern kommen könne.

Deutlich wurde der Vorsitzende der euroskeptischen Fraktion "Europa der Freiheit und der Demokratie" (UKIP) im Europaparlament. Der Brite Nigel Farage rief in einem Interview mit Russia Today die Bürger in den Krisenländern auf: "Holt euer Geld von der Bank, so lange ihr es noch könnt!" (Er spricht davon, dass die EU das Geld der Bürger stehlen wolle, was er bisher nicht einmal in kühnsten Träumen für möglich gehalten habe. Es sei die "schlimmste Entscheidung, die wir in der ganzen Euro-Krise bisher gesehen haben".

Ähnlich sehen es auch viele spanische Sparer. Mit dem Vorgehen in Zypern sei die Büchse der Pandora geöffnet worden, als man auch Kleinsparer mit einer Zwangsabgabe belegen wollte. Deshalb versucht die spanische Regierung ihre verstörten Bürger nun zu beschwichtigen, um eine gefährlichen Ansturm auf Banken (Bank Run) zu vermeiden. Der spanische Wirtschaftsminister hat am späten Dienstag in Madrid erklärt, die Guthaben bis 100.000 Euro seien "heilig" und "absolut garantiert".

Nur nimmt in seinem Land Luis de Guindos diese Beschwörungsformeln kaum jemand ab. So fragt sich auch die größte Tageszeitung im Land, warum das dem Minister nicht früher einfiel. "Warum hat er es am Samstag verabschiedet", fragt El País mit Blick auf den Entschluss zu Zypern, dem auch der Spanier zugestimmt hatte. "Ich werde nicht erklären, wie die Entscheidungen in der Euro-Gruppe getroffen werden", versuchte De Guindos sich den bohrenden Fragen der Journalisten zu entziehen. "Zypern sei ein einzigartiger Sonderfall", meinte er.

Doch zu oft wurde das schon erklärt. Namhafte Ökonomen wie Santiago Niño Becerra meinen ohnehin, es sei "absurd zu negieren", dass das Rezept nicht auf andere Länder angewendet werden könne, andere Experten erinnern daran, dass der letzte Versuch dieser Art vor einem Erschießungskommando endete. In Spanien wird auch darauf verwiesen, dass einfacher Sparer längst in der Frage von "preferentes" (Hybridanleihen) massive Verluste vor allem bei den Banken hinnehmen mussten, die verstaatlicht werden mussten. Eine Lösung hat die Regierung auch dafür bisher nicht gefunden. Diese Produkte hätten niemals einfachen Sparern verkauft werden dürfen, hatte sogar der Wirtschaftsminister schon eingeräumt. Oft sind sie augenscheinlich betrogen worden, wie von diversen Gerichten schon bestätigt wurde.

Ohnehin haben viele Spanier das Vertrauen in ihre Regierung längst verloren. Gegen alle Wahlversprechen haben die Konservativen Steuern erhöht, Banken gerettet, Löhne gesenkt und massive Einschnitte im Bildungs- und Gesundheitssystem vorgenommen. Statt einem Ende der Krise näher zu kommen, rutscht das Land immer tiefer in die Rezession. Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt und mit ihr die Kreditausfälle. Die Ausfallquote, so hat die spanische Zentralbank am Dienstag mitgeteilt, ist auf fast elf Prozent angeschwollen. Dabei haben Banken toxische Werte in einem Umfang von 50 Milliarden Euro schon in eine staatliche Bad Bank ausgelagert. Ministerpräsident Mariano Rajoy musste am Mittwoch auch einräumen, dass seine absurd optimistischen Wirtschaftsprognosen nicht haltbar sind. Das schafft nicht gerade Vertrauen. Und dass seine gesamte Regierung von einem Korruptionsskandal erschüttert wird, den nicht einmal Rajoy auszuräumen vermag, ebenfalls nicht.