Griechenland: Wo geht das Geld hin?

Eine Bilanz über die seit Mai 2010 an Griechenland ausgezahlten 183,1 Milliarden Euro

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Heute steht ein neues Treffen der Eurogruppe an. Wieder einmal wird es um die Auszahlung einer Tranche des Hilfskredits gehen, knapp 9,2 Milliarden Euro stehen an, und erneut wird die Alternativlosigkeit des ergriffenen Kurses betont werden. Die Kreditgebertroika kommt nach Athen und wird unter der Führung von Poul Thomsen die Fortschritte des Programms untersuchen und dafür mal wieder sämtliche Ministerien des Landes buchstäblich auf den Kopf stellen. Statistiken und Fortschritte werden je nach aktueller politischer und wirtschaftlicher Lage der Kreditgeber positiv oder negativ ausgelegt.

Wo genau das Geld der Hilfskredite hingeht und wie viel bislang mit den drei Rettungspaketen wirklich ausgezahlt wurde, das wird selten beleuchtet. Bis einschließlich der letzten ausgezahlten Tranche waren es seit Mai 2010 insgesamt 183,1 Milliarden Euro.

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IWF-Chef Thompsen mit Horst Reichenbach von der EU-Taskforce. Bild: W. Astwestopoulos

Von dieser stolzen Summe gingen 41 Milliarden Euro an die einheimische Bankenrettung, knapp 30 Milliarden kosteten die Haircuts, sprich Schuldenstreichungen des Frühjahrs 2012. An die Kasse für die Stabilität des Finanzsystems flossen 10 Milliarden Euro. 11,3 Milliarden Euro mussten für den Rückkauf der Schuldverschreibungen im Dezember 2012 aufgebracht werden. Damit gingen 92,3 Milliarden Euro unmittelbar oder mittelbar als Hilfe an das Bankensystem.

Von den verbleibenden 90,8 Milliarden Euro wurde ein Teil der fällig gewordenen Staatsschulden von 201,5 Milliarden Euro bezahlt. Die restlichen 110,7 Milliarden wurden dem griechischen Wirtschaftssystem in Form von Steuern, unbezahlten Rechnungen der öffentlichen Hand und kurzfristigen Bankanleihen bei griechischen Geldhäusern entzogen. Pro Monat steigen derzeit die Schulden des griechischen Staats bei seinen Lieferanten um mehr als eine Milliarde Euro. Bislang sind Rechnungen für mehr als 12 Milliarden Euro unbezahlt.

Die "Sparmaßnahmen" der Periode 2010-2012 bestanden hauptsächlich aus der Erhebung neuer Steuern, Preiserhöhungen für staatliche Dienste und der Kürzung von Einkommen und Renten. Als Summe entsprechen sie 49 Milliarden Euro oder 22,5 Prozent des im sechsten Jahr schrumpfenden Bruttoinlandsprodukts (BIP). Auf das Etatdefizit wirkte nur ein Bruchteil dieser Maßnahmen. Es sank nur um 12,4 Milliarden Euro (knapp 6,2 Prozent des BIP). Für 2013 muss Griechenland für seinen Schuldendienst 68,6 Milliarden Euro aufbringen, nur 14,8 Milliarden steuert der Hilfskredit dazu bei. Der Rest soll über Anleihen bei einheimischen Banken beglichen werden.

Für die Verkäufe von Tafelsilber, sprich staatlichen Unternehmen, hat das Finanzministerium 2,5 Milliarden Euro Einnahmen avisiert. Dabei sind die Preise für die entsprechenden Unternehmen oft geringer als die für ein Wirtschaftsjahr erzielten Einnahmen. Für den Lotteriemonopolisten sind so nur knapp 300 Millionen Euro fällig, während der Jahresgewinn des Unternehmens bei einer halben Milliarde Euro liegt.

Aus Steuererhöhungen winken wegen der anhaltenden Rezession keinerlei Erträge mehr, wobei die Versechseinhalbfachung der Heizölsteuer als warnendes Beispiel dient. Sie brachte dem Fiskus wegen des einbrechenden Absatzes überhaupt keine Mehreinnahmen. Schlimmer noch wirkte sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. Nachdem immer mehr Waren und Dienstleistungen von 13 Prozent auf den Maximalsteuersatz von 23 Prozent herangeführt wurden, sanken die Einnahmen von knapp 17 Milliarden Euro 2011 auf unwesentlich mehr als 15 Milliarden Euro 2012.

Die einzige Wachstumsgröße der Wirtschaft findet sich auf dem Arbeitslosenmarkt. Pro Tag werden in der Beschäftigungsbilanz 1000 Jobs vernichtet. Immer mehr Unternehmen wandern ab. Nach der Verlegung des Unternehmenssitzes des lokalen, in zahlreiche Länder exportierenden Coca-Cola-Abfüllers HBC in die Schweiz hat auch Konkurrent Pepsi begonnen, griechische Werke zu schließen. Selbst traditionsreiche Unternehmen wie der mehr als 90 Jahre alte Holzverarbeiter Shelman können in der chaotischen hellenischen Wirtschaftswelt nicht mehr überleben. Das wiederum liegt nicht zuletzt an den alle drei Monate auf Wunsch der Troika geänderten Steuergesetze samt ihrer mikro- und makroökonomischen Auswirkungen.