Zoff um Karl und Rosa

Ein Jugendbündnis will am 13. Januar 2013 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gedenken und wird dafür als Spalter und Schlimmeres gescholten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die linke Bewegung in Deutschland gründet gerne und oft Bündnisse, die oft wenig Beachtung finden. Doch das Jugendbündnis, das sich schlicht Karl und Rosa nennt, hat es schnell geschafft, öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Es hat sich zur Aufgabe gestellt, der linken Sozialdemokraten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken, die vor dem ersten Weltkrieg zu den profiliertesten Köpfen des antimilitaristischen Flügels der SPD gehörten und diese Position im Gegensatz zum Großteil ihrer damaligen Partei auch nach dem Beginn des 1. Weltkriegs nicht aufgegeben haben.

Dafür wurden sie eingekerkert und verfolgt. Nach der Novemberrevolution wurden sie zu wichtigen Bezugspunkten des Teils der damaligen Arbeiterbewegung, der auf eine grundlegende Umwälzung der politischen Verhältnisse setzte. Am 18. Januar 1919 wurden sie von rechten Freikorps ermordet. Der Befehl kam, wie der Frankfurter Historiker Klaus Gietinger klar nachwies, von der damaligen SPD-Führung um Gustav Noske.

Dass 94 Jahre später ein Jugendbündnis der Ermordeten gedenkt und dabei auch kritische Fragen stellt, was denn heute daraus folgt, müsste eigentlich auf Zustimmung stoßen, wo doch vielerorts über die unpolitische Jugend lamentiert wird, die sich für alles eher als für linke Geschichte interessiert.

"Spalter und Noskes Kinder"

Doch weit gefehlt. Neben der Gründung von Bündnissen zählt die Beschimpfung der anderen Bündnisse zu einer Lieblingsbeschäftigung in der linken Bewegung. Dabei geht es nicht um den notwendigen politischen Streit um Inhalte und den Austausch von Argumenten, sondern um die Diffamierung. In einem Artikel in der traditionalistischen Tageszeitung junge Welt werden die Aktivisten des Jugendbündnisses nicht nur als „zukünftige Sozialabbaukader“, sondern auch als „Kinder der Mörder von Rosa und Karl“ bezeichnet.

Dabei stoßen sich die Traditionalisten plötzlich daran, dass auch SPD-nahe Jugendverbände Teil des Jugendblocks sind. Merkwürdigerweise hätte es nicht gestört, wenn sie mit zu der traditionellen Demonstration aufgerufen hätten. Auch SPD-Fahnen waren dort keine Seltenheit, wie ein regelmäßiger Beobachter zu berichten weiß.

Es geht dabei also nicht um die notwendige kritische Auseinandersetzung über sozialdemokratische oder staatssozialistische Praktiken. Dem Gegner wird vielmehr abgesprochen, überhaupt Teil der linken Bewegung zu sein und daher eigentlich nicht berechtigt, eigenständig zu einer Ehrung von Rosa Luxemburg und Liebknecht aufzurufen. Nun gibt es darauf kein Patent, sonst wäre das sicher von jenem Kreis von Traditionslinken schon angemeldet worden, die, wie in jedem Jahr, auch am 13. Januar 2013 zu einer Demonstration an den Gräbern der ermordeten Sozialisten aufrufen.

Diese Demonstration war in den Nachwendejahren entstanden und hatte damals schnell viel Zulauf auch von jüngeren Leuten bekommen, weil damit deutlich gemacht werden sollte, dass mit dem Zusammenbruch der nominalsozialistischen Staaten nicht die gesamte Geschichte der linken Arbeiterbewegung beerdigt ist. In den letzten Jahren gab es vermehrt Kritik an Bannern und Plakaten auf der Demonstration, auf denen Vertreter autoritärer Sozialismusvorstellungen hochgelobt wurden. Dabei kam es auch gelegentlich nicht nur zu verbalen Auseinandersetzungen. Mit der eigenständigen Demonstration im kommenden Januar haben die unterschiedlichen Vorstellungen nun auch zu organisatorischen Konsequenzen geführt.

Entwicklung wie am 1. Mai

Damit scheint sich nun auch bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration eine Entwicklung abzuzeichnen, die schon Mitte der 1990er Jahre bei einer weiteren linken Großdemonstration in Berlin zu beobachten ist, bei der „revolutionären 1.Mai-Demonstration“. Jahrelang stritten sich die Gruppen darum, ob sie am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg oder von einem anderen Platz losgehen soll. Dahinter verbargen sich ähnliche Differenzen in den Politikvorstellungen wie jetzt bei der Ehrung der ermordeten Sozialisten.

Die Trennung und der Streit taten übrigens der Attraktivität der unterschiedlichen Demonstrationen keinen Abbruch. Zeitweilig gab es sogar drei Demonstrationen am 1. Mai, die alle gut besucht waren. Auch das Jugendbündnis dürfte weniger Leute von der traditionellen Demonstration abziehen, sondern Menschen ansprechen, die sich dort nicht politisch wiederfanden.