Weltweit werden Vermögen in Höhe von 16,7 Billionen Euro in Steueroasen gebunkert

Britisches Tax Justice Network: die Ungleichheit zwischen Armen und Reichen ist größer als bisher angenommen, Staatsschulden könnten mit Schließung von Gesetzeslücken erheblich abgebaut werden

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Laut Schätzungen der britischen Organisation Tax Justice Network - einer Initiative, die 2003 in den britischen Parlamentskammern gegründet wurde – beträgt die weltweite Kapitalflucht vor der nationalen Besteuerung, umgerechnet zwischen 16,7 Billionen Euro (13 Billionen Pfund oder 21 Billionen Dollar) und 25,7 Billionen Euro (bzw. 20 Billionen Pfund). Die Veröffentlichung des Berichts ist für heute vorgesehen; die britische Sonntagszeitung Observer veröffentlicht vorab die wichtigsten Ergebnisse.

Die Kernaussage ist, dass sich eine weltweite "Elite an Superreichen" mit Hilfe eines "Schwarms" hochbezahlter, fleißiger "Enabler", Vermögensverwalter der großen Banken, die globale Verflechtung von Geschäften und Lücken in der Gesetzgebung zunutze macht, um enorme Vermögen - "so viel wie das amerikanische und japanische Bruttoinlandsprodukt zusammengerechnet" - am nationalen Fiskus vor bei in Steueroasen unterbringt. Als federführend bei der Untersuchung der Kapitalflucht wird ein früherer Wirtschaftsexperte ("former chief economist") des Beratungsunternehmens McKinsey, James Henry, genannt. Die Daten für seine Recherche soll er über Aufzeichnungen der Bank for International Settlements (BIS), dem Internationalen Währungsfond (IWF) und nicht genauer bezeichnete Analysanten des privaten Sektors gewonnen haben.

Demnach sollen mindestens 13 Billionen Pfund, möglicherweise bis zu 20 Billionen, aus vielen Ländern unter Umgehung der Steuer in sogenannte Steueroasen, als Beispiel erwähnt werden die Schweiz und die Kaiman-Inseln, verbracht worden sein. Mit Hilfe der Banken, deren enorme Vermögenswerte in einer eigenen Tabelle veranschaulicht werden. Als bemerkenswert hebt der Bericht hervor, dass die Banken in der Summe, trotz Verluste größerer Institute wie Citi oder Commerzbank , zwischen 2005 und 2010 ihr Vermögen mindestens mit 10 Prozent pro Jahr steigern konnten. Bis auf ein Institut hätten die Top Ten der Banken in diesem Zeitraum zudem staatliche Unterstützung bekommen. Andere Studien würden diese Ergebnisse bestätigen.

Als Skandalon stellt der Tax-Justice-Bericht zweierlei heraus. Zum einen, dass die in den letzten Jahren oft erwähnte Ungleichheit zwischen den Reichen und den Armen aufgrund der versteckten Vermögenswerte in der Wirklichkeit noch drastischer ausfällt, als man dies bislang annahm:

"In total, 10 million individuals around the world hold assets offshore, according to Henry's analysis; but almost half of the minimum estimate of $21tn – $9.8tn – is owned by just 92,000 people (or 0.001% of the world's population). And that does not include the non-financial assets – art, yachts, mansions in Kensington – that many of the world's movers and shakers like to use as homes for their immense riches."

Zum anderen macht der Bericht auf den Zusammenhang zwischen Kapitalflucht und Länder aufmerksam, welche die Vermögenswerte für den Aufbau des Landes gebrauchen hätten können: "Fast 500 Milliarden Pfund sind aus Russland in den frühen 1990er Jahren, als die Wirtschaft geöffnet wurde, herausgeflossen, aus Saudi-Arabien flossen seit Mitte der 1970er Jahren 197 Milliarden und aus Nigeria 196 Milliarden Pfund."

Der Bericht verweist auf ein grundlegendes Problem: Während eine überschaubare, kleine Menge an Wohlhabenden über große Anteile des Vermögens verfügt, das sie meist dort lagern, wo sie steuerlich weniger oder gar nicht belangt werden, schultert der Großteil der Bevölkerung in diesen Ländern die Schulden, die der Staat aufgenommen hat.

Würde man die Gesetzeslücken, die die Kapitalflucht ermöglichen, schließen, so folgert der Bericht, würden sich die Staatsschulden deutlich verringern. Die Regierungen könnten dann darauf setzen, die Wirtschaft zu stimulieren, statt mit Kürzungen und Steuererhöhungen für die 99 Prozent(!) der Staatsangehörigen, die nicht reich genug sind, um sich Steuerflucht zu leisten, das Leben aus den Volkswirtschaften "herauszupressen". Um dies zu illustrieren, macht man eine einfache Rechnung auf:

"Nimmt man an, dass die 13 Billionen Pfund (ca. 16,7 Billionen Euro, Anm. d. A.) an Vermögenswerten im Jahr 3 Prozent Rendite abwerfen, und die Regierung diese mit 30 Prozent besteuert, dann würde dies zu Mehreinnahmen von 121 Milliarden Pfund (rund 155,5 Milliarden Euro, Anm. d. A.) führen - mehr als die reichen Länder jährlich für Entwicklungshilfe ausgeben."