Eine "Piefke"-Schule für Neuösterreicher - keine schlechte Idee...

Außer Kontrolle

In Wien haben Deutsche, die seit langem in Österreich leben, eine "Piefke"-Schule eröffnet, die es jenen leichter machen soll, die aus Deutschland nach Österreich kommen. Keine schlechte Idee, finde ich.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Aber Österreich ist doch kein Ausland

Die „Piefke-Schule“ klingt wie ein Scherz, aber für etliche Deutsche dürfte das neue Leben in Österreich tatsächlich einen Kulturschock bedeuten. Und das betrifft nicht nur die Sprache.

Wer dauerhaft nach Österreich zieht, denkt oft, dass dies ja kein „Ausland“ ist und insofern sich auch keine wirklichen Veränderungen ergeben, mal von einigen wenigen sprachlichen Besonderheiten abgesehen. Die Realität holt denjenigen schnell ein.

Die vom ORF halb spöttisch, halb vorurteilsbelastet, als Piefke-Schule bezeichnete Idee von Neu-Österreichern für Neu-Österreichern ist insofern keineswegs so dümmlich-lustig wie viele annehmen. Sie könnte vielen Leuten helfen, die nach Österreich ziehen und nicht wissen, was sie erwartet.

Immer gemach...

Seit knapp 1.5 Jahren lebe ich nunmehr in Österreich und das Erste, was ich, gerade als etwas ungeduldige Deutsche lernen musste, war: die österreichische Gemütlichkeit ist kein Mythos. Es hat etwas Charmantes, wenn die Dame an der Kassa sich Zeit für einen kurzen Plausch nimmt und neben dem „Grüß Gott“ und der obligaten Frage nach der Kundenkart(e) auch noch ein paar Worte über Haarschnitt/-farbe, das Wetter oder den Einkauf verliert, für diejenigen, die aber die „rauf aufs Band, einsacken, bezahlen“-Idee stehen, ist das erstmal ein Schock. Zum einen will natürlich nicht jeder beplauscht werden, zum anderen wird dadurch die Zeit an der Kassa auch ausgedehnt. Während die „Ureinwohner“ dies eher lässig sehen und ggf. ihrerseits plauschen, ist der Tourist oder Neu-Ösi (NÖ) davon leicht irritiert bis stark genervt.

Doch das ist nur ein Beispiel für die zu erlerndende Gemütlichkeit, die dem „Piefke“ (diesen Namen wird der gemeine Deutsche in regelmäßigen Abständen zu hören bekommen, manchmal scherzhaft, manchmal kränkend) neu vorkommt. Kellner lassen auf sich warten, das Herabnehmen des Kleides zum Anprobieren benötigt gefühlte Stunden, die Dame vom Amt plaudert erst einmal über den „netten Akzent“ bevor sie zuhört, was ich auf dem Herzen habe... Österreicher haben Zeit.

Tauben vergiften im Park

Neben Großbritannien hat Österreich wohl den schwärzesten Humor innerhalb Europas, wobei er in Österreich durch zum Schunkeln verleitende Musik und einem charmanten Akzent abgemildert wird. Wo sonst könnte man so schön über das Taubenvergiften im Park singen und dabei schunkeln wie in Österreich? Und wo sonst könnte man so herzlich darüber lachen, ohne sofort den „Political Correctness“-Buzzer zu betätigen?

Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau,
Geh mer Tauben vergiften im Park!
Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau,
Geh mer Tauben vergiften im Park!
Wir sitzen zusmam' in der Laube
Und a jeder vergiftet a Taube,
Der Frühling, der dringt bis ins innerste Mark
Beim Tauben vergiften im Park.
( Quelle: Tauben vergiften im Park (Georg Kreisler))

Gerade für diejenigen, die bei einem makabren Witz schon unbehaglich schlucken, ist Österreich insofern eine Herausforderung, denn hier schreckt man vor deftigem Humor nicht zurück. Gleichermaßen sind auch Schimpfworte, charmant verpackt durch die sprachlichen Eigenarten, nicht wirklich selten gesehen und oft auch nicht ernstzunehmen.

Verlängerter, Brauner und Co.

Auch wenn ich stets an Wowbagger, den unendlich verlängerten denken muss, wenn ich einen „Verlängerten“ bestelle, so hat das Eine mit dem Anderen nichts zu tun. Die Kaffee (ka-feeeh, nicht kaffee)-Kultur in Österreich ist ein Mysterium. Mit den diversen sirupversetzten Gesöffen hat das alles nichts zu tun, doch genauso wie sich Coffee: Dennis Leary überfordert zeigt, wenn es um die heutigen diversen „-cinos“ geht, so ist eine österreiche Karte mit zig Kaffeevariationen, gelinde gesagt, verwirrend und es bedurfte einiger Zeit bis ich nicht mehr nachfragen musste, was nun der Verlängerte etc. sind. Und auch das Glas Wasser, das neben der Kaffeetasse steht, fand ich doch etwas ungewohnt – aber ich gewöhne mich daran, so wie auch an die fremdländischen Begriffe für gewohnte Lebensmittel.

Von Karfiol, Fisolen und Ribisel

Eine Menge Lebensmittel tragen nun einmal fremde Namen in Österreich. Mit Quark, Johannisbeeren, Bohnen oder Blumenkohl etc. stieß ich daher prompt auf Verwirrung, mit Topfen und Ribisel konnte ich nur entfernt etwas anfangen. Da hieß es dann doch: schnell mal im Internet schauen, wie welche Lebensmittel in Österreich heißen und auch wenn ich vieles kannte, so war mir nicht bekannt, dass es auch für Auberginen einen anderen Begriff gibt. Aber im Zweifelsfall konnte ich mit Zeichensprache und kreativen Beschreibungen dann doch das Gewünschte erwerben und auf diese Weise ergab sich dann auch gleich ein freundschaftlicher Kontakt zu den Damen im hiesigen Billa.

12 Promille beim Weißwein?

Worauf einen das Internet nur unzureichend vorbereitet ist die „hohe Drehzahl“ beim Weißwein. Verglichen mit dem österreichischen Weißwein erscheint mir der in Deutschland ausgeschenkte Weißwein oft wie ein Fusel, kein Wunder also, dass der „Gespritzte“, also das Wein-Wasser-Gemisch hier so beliebt ist. Manche Weißweine hinterlassen einen leichten Brummschädel, wie ich ihn sonst nur von hochprozentigen Rotweinen her kannte. Bei 12% Vol. nicht wirklich überraschend. Also Vorsicht, gerade weil die Weinpreise auch (besonders in kleineren Ortschaften) sehr günstig sind :) Aber glücklicherweise gibt es ja ebenso günstige Jausenteller und und und, die zum Wein gegessen werden können.

Dies sind natürlich nur ein paar Aspekte, aber gerade der „gemach gemach“-Punkt ist wichtig. Ich erlebe beim Einkaufen oft Menschen, die man als „Nichteinheimische“ identifizieren kann und die mit dieser Gemächlichkeit überfordert sind, die an die eher deutsche Hektik gewohnt sind und entsprechend unwirsch reagieren, wenn es hier anders ist. Auch die Angewohnheit, Zeiten eher vage abzuschätzen, bringt viele zur Weisglut. „Ich meld mich in 10 Minuten“ oder „ich bin so in fünf Minuten rum da“ kann schon einmal heißen, dass man 20-25 Minuten wartet. Gerade in Bezug auf Taxifahrten oder Terminen hat mich das so manchen Nerv gekostet – aber das ist oft eben völlig normal hier und es heißt, sich anzupassen. Dafür begegnen einem Verkäufer ebenso oft mit einer überraschenden Herzlichkeit, die ich von Deutschland kaum mehr kannte und es passiert sehr schnell, dass Menschen auf der Straße einen kleinen „Schnack“ mit einem anfangen. Zu denken, dass Österreich im Endeffekt keine Umgewöhnung bedeutet, ist ein Fehler, den viele machen – sie treten insofern in so manches Fettnäpfchen. Daher ist die „Piefke“-Schule, egal welchen Namen sie trägt, keine schlechte Idee, zudem sie nicht etwa von Menschen initiiert wurde, die davon keine Ahnung haben, sondern von Menschen, die diese Anpassungsphase hinter sich haben, aber genau wissen, was alles falsch laufen kann.