Koalition will Öffentlichkeit vom Kundus-Untersuchungsausschuss ausschließen

Opposition denkt über neuen Untersuchungsausschuss nach

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Drei Zeugen sollten ursprünglich gestern vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss aussagen: Staatssekretär Rüdiger Wolf, Ministerialdirektor Dr. Ulrich Schlie und der ehemalige Pressesprecher des Verteidigungsministeriums Dr. Thomas Raabe waren am Donnerstag zu einer öffentlichen Zeugenvernehmung geladen. Doch die Koalition beschloss kurzerhand, die Öffentlichkeit nicht zuzulassen.

Kauders Gutachten

Grund dafür ist ein Rechtsgutachten, welches von Siegfried Kauder (CDU) erstellt wurde und zu einem Schluss kommt, der die pauschale öffentliche Anhörung von Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss als rechtswidrig bezeichnet. Doch genau darauf hatten sich die Parteien zu Beginn verständigt.

Um für Transparenz zu sorgen, sollten die Minister, Staatssekretäre und die militärische Führung unter Beisein der Presse und weiterer interessierter Zuhörer vernommen werden. "Die Union hat heute die gemeinsam beschlossene Geschäftsgrundlage aufgekündigt", erklärte Omid Nouripour (Grüne) sichtlich erregt nach einer heftigen Diskussion, die sich der Ausschuss hinter verschlossenen Türen geliefert hatte.

"Natürlich alles absurd"

Die Opposition muss nun für jeden Zeugen einzeln eine öffentliche Vernehmung beantragen, jedoch verfügen Union und FDP über eine Mehrheit von zwei Stimmen gegenüber den Oppositionsparteien und können die Anträge so problemlos ablehnen. Ob dies angestrebt wird, ist unklar - selbst innerhalb der Union gibt es offenbar Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen. Ernst-Reinhard Beck erklärte, die Positionen in seiner Arbeitsgruppe, ob grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit getagt werden soll oder Ausnahmen möglich sind, seien nicht einheitlich. "Um nicht kontrovers abstimmen zu müssen", habe er beantragt, den Zeugen Wolf zu einem späteren Zeitpunkt anzuhören. Die anderen beiden Zeugen waren schon im Vorfeld der Sitzung ausgeladen worden, aus Zeitgründen: Am Abend stand im Bundestag die Entscheidung über die Wehrpflichtverkürzung an.

Rainer Arnold (SPD) reagierte empört. Die Union habe so getan, als ob die Frage, ob Wolf öffentlich vernommen werden solle oder nicht, überraschend käme. Das sei "natürlich alles absurd". Arnold ging mit den Unionspolitikern im Ausschuss hart zu Gericht: "Wir wissen nicht mehr, wer dort das Sagen hat: der gewählte Vorsitzende oder Herr Kauder. Es scheint unklar zu sein, wer für wen Anträge stellt. Es ist ein komplettes Chaos angerichtet". Kauder sei in den Ausschuss hineingesetzt worden, "um ein bisschen den Beißwolf zu machen", so Arnold.

Gegenüberstellung von Guttenberg mit Schneiderhan und Wichert

Ebenfalls für Unmut sorgte die Ablehnung der von der Opposition beantragten Gegenüberstellung von Verteidigungsminister zu Guttenberg mit Schneiderhan und Wichert. Mit der Blockade der Gegenüberstellung würden Union und FDP gegen das Minderheitenrecht im Ausschuss verstoßen, so die Opposition unisono.

Für die Sozialdemokraten ist das weitere Vorgehen damit klar: Rainer Arnold kündigte an, zunächst vor dem Bundesgerichtshof die von der Regierungskoalition abgelehnte Gegenüberstellung durchzusetzen. Sollten sich Union und FDP dann weigern, diese öffentlich durchzuführen, kündigte er schon jetzt die Einrichtung eines weiteren Untersuchungsausschusses nach Paragraph 44 des Grundgesetzes an. Vor diesem müssten die Zeugen dann öffentlich aussagen. Auf die Unterstützung von Grünen und Linken kann Arnold dabei zählen. Jedoch wies Paul Schäfer (Linke) darauf hin, dass es schwierig werden könnte, in diesem Ausschuss dann explizit Fragen zu Kundus zu stellen, da diese in den Bereich des Verteidigungsausschusses fielen.

Vermeidung des "Spektakel zu Guttenberg"

Beck hat für dieses Ansinnen wenig Verständnis. Er wolle den Untersuchungsausschuss nun "ordentlich zu Ende bringen". Zwar sei er im Einzelfall durchaus offen für öffentliche Zeugenvernehmungen, so Beck, der sich schon gegen die Übertragung der Vernehmung des amtierenden Verteidigungsministers aussprach, um ein "Spektakel zu Guttenberg" zu vermeiden (siehe Die untergeschobenen Zivilisten von Kundus).

Trotzdem steht er öffentlichen Anhörungen äußerst skeptisch gegenüber. "Wir hatten manche Dinge, die als militärische Geheimnisse mit streng geheim versehen worden sind, dass wir die in der Öffentlichkeit dargestellt haben. Dies ist auch ein Lernprozess, den ich in diesem Ausschuss gemacht habe." Deshalb sei er Siegfried Kauder auch sehr dankbar, da er die Regierungsparteien von rechtswidrigem Verhalten abhalte.