Hamburg im Sicherheitswahn

Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen wegen Innenministerkonferenz und angeblicher Anschlagsgefahr

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dieser Tage treffen sich die Innenminister- und Senatoren aus Bund und Ländern in Hamburg zu ihrer traditionellen Herbstkonferenz. Verschiedene politische Gruppierungen hatten seit langem Proteste gegen die Innenministerkonferenz (IMK) angekündigt, am vergangenen Samstag fanden in diesem Zusammenhang sogar zwei Demonstrationen nacheinander statt. Grund genug für die hanseatische Innenbehörde, ein Kontrollgebiet zu installieren.

Da das erwartete Krawallszenario als Legitimation für dauerhaften Ausnahmezustand in der Hansestadt während der IMK jedoch ausblieb, schwenkte Innensenator Heino Vahldiek (CDU) auf Terrorabwehr um. Vorlage dafür ist die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am vergangenen Mittwoch verkündete besondere Gefährdungslage.

Wegen der befürchteten Krawalle im Hamburger Schanzenviertel im Zusammenhang mit den Anti-IMK-Demos wurde das Gebiet um das Stadtteilkulturzentrum Rote Flora am vergangenen Samstag vorsorglich weiträumig zum Kontrollgebiet erklärt. Dort waren in der Zeit zwischen Samstagabend 18 Uhr und Sonntagmorgen 8 Uhr verdachtsunabhängige Kontrollen sowie Platzverweise möglich. Bei der Festlegung der angeblichen Gefahrenzone zeigte sich die Innenbehörde großzügig: von St. Pauli über das Schanzenviertel bis nach Eimsbüttel und Altona erstreckte sich das Kontrollgebiet.

Wenn es in der Schanze knallt, dann traditionell in einem Radius von etwa 300 m um die Rote Flora. Das Kontrollgebiet erstreckte sich indes auf einen Radius von ca. 3 km und beinhaltete außer der Amüsiermeile St. Pauli und dem Szeneviertel einige bürgerliche Wohngebiete in Eimsbüttel und Altona. Der Ausnahmezustand galt auch für die Bewohner des fraglichen Gebiets, auch sie hätten jederzeit kontrolliert werden können. Sie waren verdächtig, sobald sie ihre Wohnung verließen.

Mehrere Tausend Menschen hatten sich an den Aktionen am vergangenen Samstagnachmittag beteiligt. Eine Demonstration unter dem Motto "freedom of movement is everybody's right" zog vom Hauptbahnhof in den angrenzenden Stadtteil St. Georg, die andere unter dem Motto "IMK versenken" vom Gänsemarkt in Richtung Sternschanze, bzw. Rote Flora. 3.000 Polizeibeamte waren am Samstag in Hamburg im Einsatz: neun Hamburger und elf auswärtige Hundertschaften, aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Berlin, Niedersachsen und der Bundespolizei.

Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck, bis vor kurzen noch Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, war gut vorbereitet. Allerdings blieb "die befürchtete Ausartung der Krawalle, wie zuletzt in der Nacht zum 1. Mai im Schanzenviertel, jedoch aus", berichtete die Welt am 14.11.2010.

Alarmstufe Rot

Doch Beschäftigung für Polizeibeamte gibt es in der Hansestadt genug. Wie bestellt fand sich am vergangenen Mittwochvormittag auf einer Damentoilette am Hamburger Flughafen ein verdächtiger elektronischer Gegenstand. Sofort wurde Bombenalarm ausgerufen, das Areal ums Damenklo großflächig abgesperrt und ein Sprengmeister hinzugezogen, der das Ding mit einer Wasserpistole aufschoss. Der gefährliche Gegenstand entpuppte sich als völlig harmlos.

Seit der Terrorwarnung von de Mazière am vergangenen Mittwoch gilt für Hauptbahnhof und Flughafen Alarmstufe Rot: erhöhte Polizeipräsenz, Patrouillen der Bundespolizei, schwer bewaffnet mit Maschinengewehren und ausgestattet mit schusssicheren Westen, Polizeihunde, die auf Schnüffeln von Sprengstoff trainiert sind sowie gepanzerte Fahrzeuge der Bundespolizei auf dem Flughafengelände, sollen das Gefühl der Sicherheit bei den Reisenden stärken. Mit Ausnahme muslimisch aussehender Passagiere - die werden nämlich verstärkt kontrolliert.

Als besonders terrorgefährdet gelten das US-Konsulat an der Außenalster, das Airbuswerk in Finkenwerder, der Elbtunnel, die Köhlbrandbrücke – und die Weihnachtsmärkte. Die finden quasi flächendeckend in ganz Hamburg statt. Weil mit Maschinengewehren bewaffnete Polizeiposten sich am Glühweinstand nicht so gut machen, sollen verstärkt auch Zivilbeamte eingesetzt werden. Das alles ist allerdings nur das Vorgeplänkel: Ende des Monats wird im Hamburger Hafen der britische Flugzeugträger "Ark Royal" mit 1.000 Mann Besatzung erwartet. Da gilt dann vermutlich Hamburg weit Alarmstufe rot.