Schmerzpumpen, Codes & das Internet: Darf's ein bisschen mehr sein?

Außer Kontrolle

Elektrische Schmerzpumpen werden durch Codes gesichert um zu verhindern, dass Patienten zu viel davon nutzen. Nur sollten solche Codes nicht im Internet zu finden sein.

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Die Szenerie kennt man aus Filmen: Der Killer, egal ob männlich oder weiblich, schleicht sich ins Krankenhaus zum schwerverletzten Opfer und entfernt einen Tropf oder gibt ein Gift in den Tropf, so dass das Opfer möglichst bald das Zeitliche segnet, ohne dass es auffällt. Auf leisen Sohlen entfernt sich der Attentäter wieder und meist schafft es noch das Klinikpersonal, rechtzeitig aufzutauchen, um zur Rettung zu eilen. In anderen Episoden finden sich die Patienten, die die Beigabe der Schmerzmedikamente quasi auf "Dauerfeuer" stellen. Eine solche Episode wurde nun Realität.

Ende 2011 war es, als zwei libysche Männer, von Schüssen und Explosionen verletzt, ins Linzer Spital aufgenommen wurden. Um es den Männern zu ermöglichen, sich bei starken Schmerzen auch selbst mit Schmerzmitteln zu versorgen, wurden sie an sogenannte Schmerzpumpen angehängt, die bei Knopfdruck eine gewisse Menge des Schmerzmittels zuführen. Solche Schmerzpumpen sind gegen Missbrauch gesichert, d.h. der behandelnde Arzt gibt vor, welche Dosis nicht überschritten werden darf. Diese Vorgabe wird nur von Ärzten gemacht und durch entsprechende Sicherheitscodes wird gewährleistet, dass sie weder verändert noch gelöscht werden können, ohne dass eine entsprechende Befugnis für diese Änderungen besteht. Dass diese Codes insofern nicht einfach weitergegeben werden dürfen, ist klar.

Doch das war nicht das Problem, vielmehr wurden die Codes allem Anschein nach bei Inbetriebnahme nicht geändert, sondern jene Codes verwandt, die bei einem Workshop des Herstellers der Pumpen an die Teilnehmer gegeben wurden. Diese Codes fanden sich letztendlich im Internet wieder, wo auch die beiden libyschen Kriegsopfer sie fanden und dazu nutzten, nun selbständig die Dosierung der Schmerzmittel zu bestimmen. Das Ergebnis dieser eigenmächtigen Medikation waren Atemstillstand sowie eine Abhängigkeit vom Schmerzmittel. Nachdem dann auffiel, wodurch es zu den hohen Dosen des Schmerzmittels gekommen war, bekamen die Patienten Schmerzpflaster, der Vorfall wurde auch ans entsprechende Ministerium gemeldet, die Geräte wurden ausgetauscht bzw. die Codes verändert, die veröffentlichten Codes wurden "aus dem Internet entfernt", wie es heißt.

Soweit die etwas dürftige Nachrichtenlage. Anästhesie-Primar Hans Gombotz meint dazu, dass wohl nicht bedacht worden sei, dass auch die Patienten diese Codes finden und benutzen könnten. Das hört sich letztendlich jedoch etwas dürftig an. Gerade Schmerzpatienten können oftmals bei Schmerzattacken nicht wirklich einschätzen, welche Dosis für sie passend ist, weshalb sie überdosieren. Genau gegen diese Probleme der Selbstmedikation sollen ja die per Code gesicherten Dosisvorgaben wirken, wie auch gegen anderes Fremdeinwirken. Es wäre insofern nur logisch, dass die Codes, die in Workshops herausgegeben werden, bei Inbetriebnahme der Geräte im Krankenhaus sofort geändert werden, ein weiteres Verändern in regelmäßigen Abständen wäre ratsam. Wieso also die Geräte ersetzt werden mussten, ist nur damit zu erklären, dass es nicht angedacht war, den Code überhaupt veränderbar zu gestalten, was natürlich zu einer erhöhten Gefahr der Weitergabe des Codes führen kann. Patienten könnten beispielsweise die Codes dann weitergeben oder aber, wie im Film, sie könnten auch für so manche "böswillige Absicht" genutzt werden.

Es ist ein etwas bizzarr anmutendes Beispiel dafür, wie für manche Probleme, die mit elektronischen Helferlein, gerade auch in Spitälern, noch wenig Bewusstsein besteht.