"Ethische Verbrechen" in Honduras

Seit dem Putsch wurden zahlreiche Demokratie-Aktivisten ermordet, die deutsche Naumann-Stiftung macht Stimmung gegen Regimegegner

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Kontroverse um die Haltung der deutschen Bundesregierung zum Putschregime in Honduras hält an. Angehörige mehrerer Ausschüsse des deutschen Bundestages haben sich Mitte dieser Woche besorgt über die Lage der Menschenrechte in dem mittelamerikanischen Land geäußert. Parlamentarische Mitglieder des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung waren im Bundestag mit zwei hochrangigen Vertretern der honduranischen Demokratiebewegung zusammengekommen.

Bertha Oliva, Koordinatorin der Menschenrechtsorganisation COFADEH, und Jesús Garza von der Bürger- und Menschenrechtsorganisation CHAAC zeichneten bei dem offiziellen Treffen ein tristes Bild von der Situation in Honduras. Nach der international umstrittenen Wahl ( Honduras-Krise setzt sich fort) des konservativen Unternehmers Porfirio Lobo Ende November vergangenen Jahres gebe es weiterhin Übergriffe auf Menschenrechtsverteidiger und Gegner des Putsches, berichteten die beiden Gäste, die laut einer Pressemitteilung des Menschenrechtsausschusses "kaum ernsthafte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu den angezeigten Menschenrechtsverletzungen" sehen.

Menschenrechtsorganisationen und Mitglieder der Demokratiebewegung dokumentieren seit dem gewaltsamen Umsturz Ende Juni des vergangenen Jahres sorgfältig die Verletzungen der Menschenrechte. Wie auch die Mehrheit der amerikanischen Staaten erkennen sie die Legitimität der Lobo-Führung nicht an. Die Wahl des Putschisten war von massiven Unregelmäßigkeiten überschattet gewesen. Ende Februar stellten Mitglieder der Demokratiebewegung eine erste Bilanz der Lobo-Führung vor: 254 Menschenrechtsverletzungen seien seit dessen Machtergreifung gezählt worden, hieß es bei der Pressekonferenz in Tegucigalpa. Die Demokratieaktivisten lehnten angebliche Bemühungen Lobos zur Aufklärung des Putsches und der seither herrschenden politischen Gewalt als Winkelzug ab. Mit der Einberufung einer Wahrheitskommission "versuchen sie nur, ihre immer schmutzigeren Hände rein zu waschen", sagte der oppositionelle Staatsanwalt Hari Dixon.

Unterstützung bekommt die international weiterhin isolierte Führung in Honduras zunehmend von der rechtsliberalen deutschen Regierung und ihr nahe stehenden Organisationen. Der Regionalvertreter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, Christian Lüth, griff Oliva und Garza in Honduras frontal an. Beide reisten "durch die Welt, um die eigene Regierung der doppelten Moral zu bezichtigen und das Land so weiter zu spalten, anstatt es zu einen", schrieb der deutsche Jungpolitiker in der den Putschisten nahe stehenden Tageszeitung "El Heraldo". Beide Menschenrechtsverteidiger machten sich somit "ethischer Verbrechen" schuldig, so das Urteil des deutschen Stiftungsvertreters, das für die Benannten nach ihrer Rückkehr schwerwiegende Folgen haben könnte. Das Büro von Olivas Organisation COFADEH war nach dem Putsch schon einmal Ziel eines Granatangriffs geworden, Morddrohungen sind an der Tagesordnung.

Die Opposition in Berlin sieht hinter solchen Vorstößen eine generelle Linie. Die Bundesregierung versuche, "die Unregelmäßigkeit und Ungesetzlichkeit des aktuellen Regimes zu verschleiern", so die Abgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen, die Berlin dazu auffordert, "die Nichtanerkennung der Putschregierung in Honduras aufrecht zu erhalten". Die Zeichen dafür stehen schlecht. Innerhalb der Brüssler Entscheidungsgremien hatten sich die Vertreter Deutschlands nach Telepolis-Informationen "weisungsgemäß" dafür ausgesprochen, Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten zur Amtseinführung des neuen Staatschefs Porfirio Lobo zu entsenden.

Heute wird Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu einer Lateinamerika-Reise aufbrechen. Deutschland, so erklärte der FDP-Staatsminister im Außenamt, Werner Hoyer, zu der Reise im Vorfeld, habe immer gut daran getan, sich auch um kleinere Länder zu bemühen. Ob Westerwelle auch dem Lobo-Regime einen Besuch abstattet, schloss das Berliner Außenamt bislang zumindest nicht aus.