Vor dem Auslandseinsatz geht es künftig zur Probe in die Altmark

Ein Gefechtsübungszentrum wird durch Proteste von Antimilitaristen in der Öffentlichkeit bekannter

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Nichts deutet im kleinen Städtchen Letzlingen in der Altmark daraufhin, dass nur wenige Kilometer entfernt die Städte aus der weiten Welt nachgebaut werden ( Bundeswehr will Häuserkampf auch für Inlandseinsätze trainieren). Dort üben Bundeswehrsoldaten für den Auslandseinsatz. Bisher sorgte die Arbeit des Gefechtsübungszentrums Altmark für wenig Aufmerksamkeit. Das hat sich mittlerweile geändert.

Dafür sorgten Antimilitaristen aus der ganzen Republik und dem europäischen Ausland, die in den letzten Tagen unter dem Motto "War starts here" bereits zum zweiten Mal ein Protestcamp in der Altmark organisierten. Für die Gegner des GÜZ werden in der fast menschenleeren Heide die Kriege der Bundeswehr vorbereitet. Der Pressesprecher des GÜZ, Peter Makowski, möchte sich eine solche Sichtweise natürlich nicht zu eigen machen. Doch es klingt schon ein wenig Stolz mit, wenn ihn die taz zitiert: "Wir haben eine Altstadt, eine Neustadt, eine Stadtautobahn, die Kanalisation ist 1,5 Kilometer lang und begehbar."

Die Ausbaupläne für das GÜZ sind enorm. Im Jahr 2017 soll in der Altmark die Geisterstadt Schnöggersburg fertig gestellt sein. "Im dünnbesiedelten Norden von Sachsen-Anhalt, umgeben von einem undurchdringlichen Gürtel aus Wald, ist für 100 Millionen Euro eine Retortenstadt im Werden, eine Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad", schrieb die Taz. Für die Antimilitaristen sind das deutliche Hinweise auf die kommenden Bundeswehreinsätze in aller Welt.

In einer Kleinen Anfrage wollten Bundestagsabgeordnete der Linken gar wissen, ob in der Altmark auch für den möglichen Einsatz im Innern geprobt wird. In der Antwort verweist der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Kossendey auf die Aufgaben der Bundeswehr, zu denen neben der Landesverteidigung auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus gehöre. Daraus leite sich "die Notwendigkeit eines breiten Fähigkeitsspektrums mit Durchsetzungsfähigkeit im gesamten Aufgaben- und Intensitätsspektrum ab. Dies schließt auch den Kampf in urbanen Räumen ein."

Das GÜZ und Gewaltfrage

Die Antimilitaristen sehen ihr einwöchiges Aktionscamp als Erfolg und verweisen in ihren Pressemitteilungen auf verschiedene Aktionen des zivilen Ungehorsams, mit denen trotz großer Überwachung im Landkreis das GÜZ von den Kriegsgegnern markiert worden sei. Farbe auf einen verlassenen Kontrollposten der Bundeswehr gehörte ebenso dazu, wie das Entfernen von Steinen aus Gleisen auf dem GÜZ-Gelände.

Doch die entscheidenden Markierungen dürfte die öffentliche Diskussion um das GÜZ sein, die durch die Aktivitäten der Antimilitaristen angeregt wurde. Davon ist auch der Landmark Altmark nicht ausgenommen, wo das GÜZ als Arbeitgeber und Sponsor durchaus Anhänger hat. Unter dem Motto "Gegen Sachbeschädigung und Gewalt" organisierten sie am Samstagabend eine Kundgebung mit ca. 30 Teilnehmern. Hier wurde wieder die Frage relevant, ob die Gewalt beginnt, wenn das Wort Camp auf Straßenschilder gesprüht wird und Gleise geschottert werden, auf denen Kriegseinsätze in Afghanistan geprobt werden. Oder ob die Übung nicht eine Vorbereitung einer viel größeren Gewalt ist, von der auch Menschen betroffen sind?

Diese Frage bekam am vergangenen Samstag noch einmal eine besondere Relevanz, nachdem bekannt geworden war, dass bei einem Brandanschlag der Bundeswehrkaserne Havelberg 16 Bundeswehrfahrzeuge zerstört wurden.

Im Rahmen der Ermittlungen beschlagnahmte ein großes Polizeiaufgebot auf dem Campgelände ein dort abgestelltes Fahrzeug. Die Aktivisten sprechen von Kriminalisierungsversuchen. Tatsächlich dürfte es wenig wahrscheinlich sein, dass die Urheber der Aktion in Havelberg ausgerechnet zu einem seit Tagen von verschiedenen staatlichen Institutionen bestens bewachten Camp fahren sollten, um es dort zu parken.

Unabhängig davon wird die Aktion sicher die alte Debatte über die Legitimität und der Zerstörung von Kriegsgerät wieder aufleben lassen. Eine Rede auf einem Kongress, in der Inge Viett solche Aktionen als legitim verteidigte und die juristische Auseinandersetzung darum hatten die Diskussion in den letzten Monaten aufleben lassen. Bereits 1966 verarbeitete der Schriftsteller Heinrich Böll in seiner Erzählung "Ende einer Dienstfahrt" den Anschlag gegen ein Bundeswehrfahrtzeug literarisch.