Weniger Lohn und geringe Aufstiegschancen

Eine aktuelle Studie untersucht die Lohnanpassung von Ausländern am deutschen Arbeitsmarkt

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Integration ist mehr als eine gesellschaftspolitische Absichtserklärung. Wenn sie funktionieren und Migranten langfristig eine Perspektive in Deutschland bieten soll, müssen die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen stimmen. Ein möglicher Indikator ist die Frage, wie Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund auf dem hiesigen Arbeitsmarkt zurechtkommen.

Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), die von Florian Lehmer und Johannes Ludsteck durchgeführt wurde, kommt zu einem zwiespältigen Ergebnis: Einerseits gelingt vielen Ausländern im Verlauf von Jahren eine erkennbare Lohnanpassung an die deutschen Kollegen, andererseits sind die Unterschiede noch immer beträchtlich. Außerdem spielen die jeweiligen Herkunftsländer und sogenannte "Kompositionseffekte" eine entscheidende Rolle und sorgen für erhebliche Differenzen.

Negative Lohnanpassung bei Libanesen und Afghanen

Dass Migranten beim Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt weniger verdienen, liegt insofern auf der Hand, als viele Menschen mit nicht immer passgenauen Qualifikationen sowie Sprach- und Informationsdefiziten zu kämpfen haben. Im Jahr 2000 kamen ausländische "Berufsanfänger" so nur auf 64 Prozent des deutschen Lohnniveaus. Acht Jahre später erreichten sie - durch "training on the job" oder den Wechsel der Arbeitsplatzes - 72 Prozent, also eine deutlich höhere Lohnsteigerung als ihre deutschen Kollegen – und doch nur knapp drei Viertel des Gesamtergebnisses.

Je nach Herkunftsland der Arbeitnehmer (in die Studie flossen ausschließlich Daten von vollbeschäftigten Männern ein) gibt es mitunter dramatische Unterschiede. Während Menschen aus Frankreich, Spanien, Tschechien oder Bulgarien eine besonders hohe Lohnanpassung erreichten, sank der Durchschnittslohn von Migranten aus dem Libanon und aus Afghanistan im Vergleich deutlich ab. Arbeitskräfte aus Afghanistan starteten im Jahr 2000 mit 49 Prozent des deutschen Lohnniveaus – acht Jahre später standen sie bei 46 Prozent.

Eine Sondergruppe stellen Migranten aus hoch entwickelten Industriestaaten (Großbritannien, USA, Schweden etc.). Sie verdienten oft schon im ersten Jahr mehr als ihre einheimischen Kollegen. Lehmer und Ludsteck gehen davon aus, dass sie gezielt als Spezialisten nach Deutschland geholt wurden.

Kompositionseffekte

Dass an der Integrationsfähigkeit des deutschen Arbeitsmarkts noch lange und intensiv gearbeitet werden muss, zeigen vor allem die Kompositionseffekte, die darauf hindeuten, dass es für viele ausländische Arbeitnehmer nur bedingte Aufstiegschancen gibt. In der Summe steigt im Verlauf von acht Jahren nämlich nicht der Durchschnittslohn aller arbeitenden Migranten, sondern vor allem die Vergütung derjenigen, die sich etablieren konnten und noch in Deutschland arbeiten.

Mehr als die Hälfte der besonders hohen Lohnanpassung französischer Migranten (+ 43 Prozentpunkte) führen die Autoren darauf zurück, dass ihre weniger erfolgreichen Landsleute nicht mehr erwerbstätig sind oder das Land wieder verlassen haben.

Die IAB-Forscher haben auch "negative Kompositionseffekte" entdeckt und verweisen auf Russen, Kasachen, US-Amerikaner, Inder oder Iraner, die als Besserverdienende in ihre Heimat zurückkehren. Entscheidender ist aber wohl die nicht ganz neue Erkenntnis, dass der deregulierte Arbeitsmarkt, wenn es um Chancengleichheit und Entwicklungsmöglichkeiten für geringer Qualifizierte geht, an eine vergleichsweise klar definierte Grenze seiner Flexibilität stößt.