Viagra für das Hirn

Ein Biotech-Unternehmen vermeldet Fortschritte bei der Entwicklung von cognitive enhancern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mitarbeiter der Biotechnologie-Firma Emerald BioStructures haben in der neuesten Ausgabe des Fachmagazins Nature Biotechnology eine neue Klasse von chemischen Substanzen vorgestellt, die als Grundlage für die zukünftige Entwicklung von gedächtnisfördernden Arzneimitteln dienen sollen.

Stark vereinfacht ist die Idee: Man stellt dem Gehirn mehr CREB zur Verfügung, ein körpereigenes Substrat, das eine zentrale Rolle beim Speichern von Informationen im Langzeitgedächtnis spielt. CREB wird normalerweise durch ein Enzym abgebaut, die Phosphodiesterase-4, kurz PDE4. Verhindert man den Abbau, so die Hoffnung, werden eher neue synaptische Verbindungen im Gehirn angelegt, dies ist Grundlage für den Übergang vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis.

Nobelpreisträger Eric Kandel und Firmen mit klangvollen Namen wie "Memory Pharmaceuticals" beißen sich seit Jahrzehnten die Zähne an der Aufgabe aus, PDE4-Hemmer als "cognitive enhancer" zu entwickeln. Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen setzen schon bei moderaten Dosierungen ein. Das Team um Alex Burgin weist in dem Nature-Beitrag nun darauf hin, dass dies aus ihrer Sicht in erster Linie daran liegt, dass bislang immer kompetitive Hemmer synthetisiert wurden, also Substanzen, die am Rezeptor mit anderen Molekülen um die Vorherrschaft rangeln. Ihre neue Substanzen wurden dagegen als sogenannte "allosterische Modulatoren" designt, die an eine andere Bindungsstelle am Rezeptor als herkömmliche Arzneimittel andocken. Ein bekannter allosterischer Modulator ist Diazepam (Valium), welches die Aktivität des GABA-Rezeptors erhöht.

In ihrer aktuellen Studie vergaben die Forscher mit Rolipram in einem ersten Schritt einen seit Jahren bekannten PDE4-Hemmer an Mäuse. Rolipram hatte Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kurzzeitig für Aufsehen gesorgt, weil es die Gedächtnisfunktionen von Mäusen leicht verbessert hatte, verschwand aber aufgrund von unklaren klinischen Ergebnissen in den Schubladen des Berliner Pharmaunternehmens Schering. Im jetzigen Versuch schnitten die neuen allosterischen Modulatoren sogar etwas besser in den Gedächtnistests ab als Rolipram. In einem begeisterten Kommentar sprechen Miles Housley und David Adam von den Universitäten Glasgow und Edinburgh von einem großen Schritt für die Entwicklung von "hochselektiven" PDE4-Hemmern.

Ob die Flutung des Gehirns mit CREB tatsächlich zu gesteigerten Hirnleistungen führt, sollen die nächsten Versuchsreihen zeigen. Ob dies dann auch beim Menschen und zudem ohne starke Nebenwirkungen funktioniert, ist eine weitere Frage.