Türkei: Anklage gegen Karikaturisten wegen Verletzung "religiöser Werte"

Der Karikaturist Baruter hatte es gewagt, in seinem Bild an die Wand einer Moschee einen Zettel mit dem Text: "Es gibt keinen Gott" darzustellen

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In der Türkei haben es Medien, Journalisten und Blogger schwer, Presse- und Meinungsfreiheit werden zum Teil erheblich eingeschränkt oder missachtet. Allerdings scheinen sich Richter und Staatswaltschaft mittlerweile nicht mehr einig zu sein, da die Gerichte die Versuche der Staatsanwaltschaft, Medien und Journalisten zu zensieren und zu unterdrücken, öfter abwehren. 64 Journalisten befinden sich derzeit im Gefängnis, nach Angaben des Justizministeriums aber nur 4 aufgrund von ihnen geschriebener Texte. Die türkische Bürgerrechtsorgansiation Bianet bezweifelt dies freilich.

Allerdings sitzen, wie die Organisation Reporter ohne Grenzen rügt, zwei Journalisten seit einem halben Jahr wegen angeblicher Terrorvorwürfe im Gefängnis, ohne dass sie vor Gericht gestellt wurden. Eigentlich hätte ab August jeder Internetnutzer einen staatlich verordneten Filter benutzen müssen. Die Umsetzung ist erst einmal verschoben worden, nachdem letztlich die Regierung auch angesichts von Protesten ins Zögern kam, ob der Filter unter Strafandrohung verordnet werden soll. Welche Websites von der Telekommunikationsbehörde TIB gesperrt werden sollen, würde geheim bleiben.

Allerdings sperren die Behörden bereits jetzt den Zugang zu Tausenden von Websites, oft ohne Gerichtsbeschluss. Zudem wurde im April eine Liste mit Wörtern verbreitet, die ebenfalls eine Sperrung auslösen sollen, beispielsweise Namen wie Adrianne und Haydar oder "free", "pic", "fat" and "pregnant". Damit habe sich die TIB lächerlich gemacht, schreiben Reporter ohne Grenzen. Abgeordnete werden beispielsweise, blockiert, wenn sie auf Websites von Schwulenorganisationen von Rechnern des Parlaments zugreifen wollen und müssen erst einmal Anträge ausfüllen.

Zwar wurde im Juni Baris Yarkadas, der Chefredakteur der Online-Zeitung Gercek Gündem von der Anklage der Präsidentenbeleidigung freigesprochen, weil er einen kritischen Eintrag im Forum nicht gelöscht hatte. Allerdings hatte der Staatswanwalt eine Haftstrafe von mehr als 5 Jahren für das Vergehen gefordert und es ist wegen des Vorfalls zu einem Strafprozess gekommen! Eben wurde Yarkadas erneut freigesprochen, Nur Birgen, die Leiterin des Instituts für Forensische Medizin beleidigt zu haben. In einem Artikel hatte er auf angebliche Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegen Birgen verwiesen.

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Bild: Bahadır Baruter/Penguen

Der neueste Fall macht wieder deutlich, dass die Meinungsfreiheit weiterhin gefährdet ist. Der Leitende Staatsanwalt von Istanbul hat aufgrund von Anzeigen gegen den türkischen Karikaturisten Bahadır Baruter Anklage erhoben, weil er "religiösen Werte eines Teils der Bevölkerung verletzt" habe. Der Karikaturist muss deswegen vor Gericht erscheinen, die Staatsanwaltschaft hat eine Gefängnisstrafe von einem Jahr gefordert.

Baruter hat in der Satirezeitschrift Penguen einen Imam und Gläubige in einer Moschee dargestellt. Eine der Anwesenden telefoniert mit seinem Handy mit Gott und bittet um Entschuldigung, dass er wegen zu verrichtender Geschäfte nicht die ganze Zeit am Gebet teilnehmen kann. Am schlimmsten war jedoch, dass an einer Wand der Moschee ein Zettel zu sehen war, auf dem stand: "Allah yok, din yalan" (Es gibt keinen Gott. Die Religion ist eine Lüge).