Münchener Polizeigewalt: Hausdurchsuchung und politische Kampagnen

Außer Kontrolle

In die Debatte darum, wie es zu den schweren Verletzungen bei einer 23jährigen Frau kam, geben die Verantwortlichen ein trauriges Bild ab. Von Deeskalation und Einsichtsfähigkeit keine Spur.

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In der Diskussion um die sogenannte Polizeigewalt gibt es immer wieder die Argumentation, dass der beschriebene Einzelfall ja nun nicht bedeute, dass es Polizeigewalt gäbe, sondern vielmehr, dass es einzelne Polizisten gibt, die gewalttätig sind. Dies ist richtig, doch der Begriff "Polizeigewalt" ist zum einen ein Begriff, der im allgemeinen für durch Polizisten ausgeübte, nicht verhältnismäßige Gewalt steht, zum anderen aber auch miteinbezieht, dass gerade auch die Art und Weise, wie damit von den Verantwortlichen umgegangen wird, darauf hinweist, dass hier nicht nur einige Personen sich unverhältnismäßig gewalttätig benehmen, sondern dies durch Vorgesetzte gedeckt, gutgeheißen und verteidigt wird.

Im letzten Fall, der mediale Wellen schlug ( hier eine Zusammenfassung), ging es um eine 23jährige, die das Polizeirevier mit schweren Verletzungen verließ, die sie im Zuge des Polizeieinsatzes erhalten hatte. Schon ab dem Moment, als der Fall von der Presse aufgegriffen wurden, bildeten sich die zwei Lager – auf der einen Seite die Verletzte samt Anwalt, auf der anderen Seite die Polizei, die letztendlich jegliche Verantwortung von sich wies. Schon hier begann die Polizei damit, sich gelinde gesagt, unklug zu verhalten. Egal, welche Version nun die tatsächlichen Vorgänge im Polizeirevier wiedergibt – ein Wort des Bedauerns an die verletzte Frau fehlte, was aber durchaus deeskalierend hätte wirken können. Doch die Verantwortlichen benahmen sich eher so, wie es bereits bei früheren Fällen kritisiert wurde. Statt entweder zur Angelegenheit zu schweigen oder aber, z.B. durch Worte des Bedauerns zu einer Deeskalation der Meinung beizutragen, ließen sie es sich nicht nehmen, medial ihre Ansicht mitzuteilen, welche wenig überraschend lautete: Alles ist so in Ordnung, wir ermitteln noch, sind aber sicher, dass es an der Frau selbst lag, was geschehen ist.

Doch während dieses Verhalten ggf. noch verständlich wäre, so ist es die Ansicht, es ginge bei der Berichterstattung um "politische Ziele" nicht mehr. Doch genau diese Ansicht wird auch bei der Polizeispitze in München vertreten, wie aus einem internen Newsletter hervorging. "Die Berichterstattung solle nicht nur 'zu einem Ansehensverlust für das Polizeipräsidium München und seiner Mitarbeiter führen'", heißt es in dem Rundschreiben. "Es mehren sich Indizien, dass damit vor allem politische Ziele verfolgt werden." - so las es sich in der Süddeutschen Zeitung.

Hausdurchsuchungen und Haarproben

Auch die sonstigen Vorfälle, die in dieser Angelegenheit in den letzten Wochen stattfanden, wirken eher eskalierend. Während Theresa Z. zusammen mit ihrem Anwalt bei "Stern TV" ihre Sicht der Dinge schilderte und dabei erneut ihre Rolle nicht beschönigte, sondern insbesondere auch ihr Verhalten gegenüber der Polizei (sich wehren, spucken) zugab, ordnete die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bei Theresa Z. an. Einen alten Hundefutterrückstand halten die Beamten zunächst für Drogen. Als Beweismittel wurde das Handy, mit dem die Frau nicht nur ihre Mutter anrufen wollte, sondern auch das Bild, das in den Medien zu sehen war, aufnahm, konfisziert, obgleich sich auch hier alle Seiten einig gewesen waren, dass Frau Z. hatte telefonieren wollen und dies nicht erlaubt wurde. In welcher Hinsicht das Handy als Beweismittel dienen soll, bleibt derzeit offen.

Zusätzlich zur Konfiszierung des Handies wurde angeordnet, dass Theresa Z. eine Haarprobe entnommen werden sollte, um sie auf Drogenkonsum zu testen. Auch hier stellt sich die Frage, was genau dieser Test in Bezug auf die gesamte Angelegenheit aussagen soll. Wie die durchaus recht gesprächige Staatsanwaltschaft aber den Medien mitteilte, sei die Haarprobe wichtig, um festzustellen, ob die junge Frau Drogen genommen hätte, wie dies auf den Polizisten gewirkt hätte. Dabei hatte Theresa Z. bereits von Anfang an zugegeben, dass sie "Gras geraucht hätte". Dies wiederholte sie auch noch einmal bei "Stern TV", weshalb der Drogenkonsum ja bereits außer Frage stand. Nichtsdestotrotz wurde die Haarprobe entnommen, analysiert und das Ergebnis im laufenden Verfahren den Medien mitgeteilt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit, so hieß es, hätte Theresa Z. in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert, möglicherweise auch Ecstasy. Auch Amphetamine hätte man gefunden und Kokain, allerdings in so geringer Konzentration, dass auch eine Übertragung durch Hautkontakt möglich gewesen sei. Letztendlich bleiben somit also viele Konjunktive. Möglicherweise hat Theresa Z. in den letzten 12 Monaten Kokain konsumiert. Aber möglicherweise hat sie auch nur jemanden berührt, der Kokain konsumiert hatte oder es an seinen Händen, an der Kleidung... trug. Möglicherweise hat sie Cannabis konsumiert, doch dafür brauchte es keine Haarprobe, den ihr "Grasrauchen" hatte Theresa Z. nie bestritten. Es wirkt als würde die gesprächige Staatsanwaltschaft hier versuchen, Theresa Z. weiterhin als drogenabhängige, außer Kontrolle geratene Frau darstellen wollen. Doch wofür?

Letztendlich würde nicht einmal ein tatsächlich im "Drogenwahn" (wie es von Anfang an beschreibend seitens der Polizei hieß) agierender Mensch dafür eine Begründung bieten, dass ihm im immerhin gefesselten und zusätzlich durch Polizisten fixierten Zustand wegen eines Anspuckens der Beamten sowie einer Kopfbewegung Nase und Augenhöhle gebrochen werden.

Der Oberstaatsanwalt, Thomas Steinkraus-Koch, hat für diese Methodik eine interessante Argumentation parat. Da Theresa Z. ja wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Beleidigung und Körperverletzung von der Polizei angezeigt worden sei, sei der Drogentest notwendig, um ihre Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit nachzuweisen und bewerten zu können. Zum anderen sei der Test auch wichtig, um das Verhalten der Polizei zu bewerten. Einfach ausgedrückt ist es insofern allem Anschein nach zumindest für Polizei und Staatsanwaltschaft ein Unterschied, ob sie einem Drogensüchtigen Nase und Augenhöhle brechen oder einer nicht drogenabhängigen Person, denn wieso sollte sonst dieser Aspekt eine Rolle spielen? Die Bewertung des Sachverhaltes "gefesselte, schmächtige Person (50 kg schwer) wird gefesselt und von Polizisten fixiert; als sich ihr Kopf bewegt und sie einen Polizisten anspuckt, schlägt einer der Beamten (mehrmals nach ihren Aussagen, einmal nach seinen Aussagen) zu, bricht ihr Nase und Augenhöhle und verlässt dann gemeinsam mit den Kollegen die Zelle, um die blutende und gefesselte Person zurückzulassen" bleibt im Endeffekt gleich, egal ob die Person nun drogensüchtig war oder nicht.

" Ein Probierverhalten bei Ecstasy und ein höherer Konsum von THC", so heißt es auch seitens des Anwaltes von Theresa Z., "sei nachgewiesen worden". Doch dies alles sagt, selbst wenn man der Argumentation der Staatsanwaltschaft, dass der Drogenkonsum bei der Bewertung des Sachverhaltes eine Rolle spielen würde, folgt, nicht einmal etwas über den Drogenkonsum an jenem Tag aus, an dem die Frau ihre Verletzungen auf der Polizeiwache erhielt. Insofern ist die Mutmaßung, hier ginge es darum, die Glaubwürdigkeit der jungen Frau zu erschüttern, nachvollziehbarer als die Idee, dass ein Nachweis dafür, ob in den letzten 12 Monaten Drogen konsumiert worden waren, für den Sachverhalt relevant ist. Die Staatsanwaltschaft hat ein Zusatzgutachten zum Gutachten in Auftrag gegeben.