Ein Ort des Friedens und der Sicherheit

Außer Kontrolle

Michael Pfeifenberger und Stephan Demmelbauer schaffen mit "Todespolka" einen beklemmenden Einblick in das Leben der ruhigen und ordentlichen Nachbarschaft, wie sie nicht nur in Österreich stattfinden könnte.

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"Brauchen wir die D-Mark wieder?" titelt die BILD, doch der Traum von der Wiedereinführung der alten Währung wird nicht nur in der BILD geträumt. Mit der Sehnsucht nach der Währung, die vor dem Euro kam, ist auch die Wut auf "die in Brüssel" verbunden, auf die EU, die zunehmend wie eine Art "Großer Bruder" erscheint, der über den Kopf der Mitgliedsstaaten hinweg entscheidet und für die Souveränität der Staaten keinen Platz mehr lässt.

Vorurteile, Spießigkeit, Tratsch und Klatsch, Komplexe und die Sehnsucht nach einer starken Führungspersönlichkeit - diese Einzelteile haben Stephan Demmelbauer und Michael Pfeifenberger nun zu einem Film zusammengebastelt, der den Zuschauer mit einem flauen Gefühl im Magen zurücklässt. Obwohl ein Film von Österreichern für Österreicher (der Dialekt dürft manchmal schwer verständlich sein), ist "Todespolka" kein Film, der eine Entwicklung zeigt, wie sie nur in Östereich möglich ist - im Gegenteil.

"Ich sehe den Film über unser Land, das genauso gut jedes andere Land sein könnte, gar nicht so vordergründig politisch." sagt Stephan Demmelbauer. "Es geht vielmehr um die Fernwirkung politischen Handelns auf das leben einzelner Menschen, die Populisten gar nicht zur Kenntnis nehmen können oder wollen.[...]Was Politiker bei Wahlveranstaltungen in die Menge werfen, um Stimmung zu machen, kann im rechten Moment zu roher Gewalt führen. Dies in aller Radikalität verständlich zu machen, auch einem massenpublikum, war das Anliegen des Projektes "Todespolka"."

Wollt ihr die totale Sieglinde?

Demmelbauer und Pfeifenberger loten dabei durchaus auch die Grenzen des guten Geschmacks aus, wenn sich der Kirchendiener, mit der Gasmaske ausgestattet, von der Domina auspeitschen lässt, bis die ersehnte Ejakulation mit einem "Amen" begleitet wird. Doch der Hauptaugenmerk liegt auf einer nur allzu "normalen" Nachbarschaft in einer kleinen Straße, in der der Medizinstudent Rafael das Misstrauen der Anwohner auf sich zieht - einfach nur, weil er da ist. Noch dazu in dem Haus, das einer Domina gehört, die es von einem ihrer Kunden geerbt hat (der noch dazu bei einer "Session" mit der Domina verstarb) und nun wegen der Abneigung eben der Nachbarschaft nicht selbst darin wohnt.

Die Tatsache, dass Österreich den Schilling wieder eingeführt hat und nun von der charismatischen, demonstrativ Bier aus dem Seidel trinkenden und stets im Dirndl auftretenden Sieglinde Führer (General Sieglinde Führer) zu einem Land voller Sicherheit ausgebaut wird (Wollt ihr die totale Sieglinde?) ist eigentlich nur die Randerscheinung, das Hauptthema sind die "normalen, friedlichen und ordentlichen" Nachbarn, deren Vorurteile und Wut sich an einem Bahn brechen als Rafael verhaftet und dessen nigerianischer Freund vor seinem Haus stehend beobachtet werden kann. "Arbeitslager für kriminelle Ausländer." tönt Sieglinde Führer, die sich mit einem Volksmusikevent feiern lässt, während ihre Hetztiraden auf "nigerianische Drogendealer, homosexuelle Kinderschänder" und dergleichen mehr in der "Straßen" dafür sorgen, dass in einer Nacht eben jene, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, als Opfer über bleiben.

Die Wut auf die EU, von der sich das Land "die Todesstrafe nicht verbieten lassen wird", die selbst beim Biertrinken sich einmischt, sie ist nur eine der vielen Parallelen, die sich zur deutschen Befindlichkeit finden lassen.

Der Neger war´s

Es reicht in "Todespolka" schon eine verkorkste Beziehung, ein bissiger Kommentar einer frustrierten Frau ("Der Neger kann wenigstens pudern...") um eine Gewaltspirale in Gang zu setzen, die am Schluss von den Mördern mit einem eher gelangweilten "das war´s" kommentiert wird. Wenn am Schluss die großartige Tamara Stern als "Generalin Sieglinde Führer" mehr als nur angeheitert, ihren Bruder Gustav, einen Polizisten grüßt, dessen Blick über Swimming-Pools, Gartenhäuschen, goldene Felder und nicht zuletzt über die diversen Leichen im Garten (an denen er nicht wirklich unschuldig ist) schweigt, dann bleibt einem das Lachen im Halse stecken ob der Selbstverständlichkeit, mit der hier nachbarschaftliche Mörder und Mitwisser ihre Taten einfach so vergessen bzw. als "ist halt passiert" ansehen. Aber es hat ja nur den geistig behinderten Sohn, den verdächtigen Schwarzen, den ebenfalls verdächtigen Medizinstudenten und die "dumme Hure" erwischt - da ist es nicht so schlimm...

"Todespolka" endet mit volkstümlich froher Musik und indem der Film sich nur auf wenige Protagonisten konzentriert, geradezu mit typisch österreichischer Langsamkeit die Thematik abhandelt und durch den Dialekt, der selbst Flüche freundlich wirken lässt, die Beklemmung, die sich einstellt, noch verstärkt, ist "Todespolka" weit mehr als nur die "Trash-Polit-Satire", als die er angesehen wird.

"Säubern wir das Land" und "wollt ihr ein Land mit Burkas, statt mit unseren heimischen Trachten?" - das sind die Slogans, mit denen Sieglinde Führer in "Todespolka" für Begeisterung sorgt und die in der gut situierten Nachbarschaft auf Anklang stoßen. Von "Todespolka" zu "Todesmarsch" wäre es nicht so weit.