Spaniens Starrichter Garzón vom Dienst suspendiert

Garzon wurde von der rechtsextremen Falange angeklagt, weil er Massengräber öffnen lassen wollte, in denen die Faschisten Gegner verscharrt hatten

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Der bekannteste und gleichzeitig umstrittenste spanische Richter wurde am Freitag vom Dienst suspendiert. Der 54-jährige Baltasar Garzón musste nach der einstimmigen Entscheidung des Kontrollrats für Justizgewalt (CGPJ) noch am Freitag sein Büro am Nationalen Gerichtshof räumen. Die Entscheidung war abzusehen, nachdem der Oberste Gerichtshof den Weg frei gemacht hatte, um den Richter wegen Rechtsbeugung auf die Anklagebank zu setzen. In dieser Woche hat der Richter, der in zwei weiteren Fällen gegen Garzón ermittelt, Anklage erhoben und damit drohen dem Ermittlungsrichter bis zu 20 Jahre Verbot der Berufsausübung. Eigentlich blieb dem Kontrollrat juristisch keine andere Möglichkeit. Ein Richter kann nicht weiter arbeiten, der sich wegen Rechtsbeugung vor Gericht verantworten muss.

Trotzdem ist es ein Skandal, doch er liegt auf einer anderen Ebene, als er zumeist international verortet wird. Einige Zeitungen, wie New York Times hatten gegen das Vorgehen gegen Garzón sogar mit Leitartikeln protestiert. Dabei ist, rein juristisch betrachtet, an dem Vorgang nichts auszusetzen. Denn nachdem aus dem geplanten Gesetz der sozialistischen Regierung zur "Wiederherstellung der historischen Erinnerung" ein verwässertes "Gesetz zur Anerkennung und Ausweitung der Rechte der Opfer des Bürgerkriegs und der Diktatur" wurde, hatte Garzón nie eine juristische Handhabe für sein Vorgehen.

Deshalb müsste sich die Kritik, die Hunderte am FReitag auch auf mit einer spontanen Demonstration vor dem Gerichtshof zum Ausdruck brachten, sich eigentlich gegen die Sozialisten (PSOE) richten. Von 1982 bis 1996 an der Regierung ließen sie zunächst die Opfer des Franquismus völlig im Regen stehen. Nach dem erneuten Wahlsieg 2004 begann eine zaghafte Aufarbeitung der dunklen Jahrzehnte. Doch auf Druck der postfaschistischen Volkspartei (PP), die sich nie vom Putsch 1936 und der Diktatur distanziert hat, wurde ein "Opfergesetz" gemacht, dass nicht einmal die Unrechtsurteile von Schnellgerichten aufhebt. Es stellt auch die Amnestie nicht in Frage, welche sich die Faschisten im Übergang zur Demokratie gegönnt haben, es schafft nicht einmal Rechtssicherheit in Frage der Massengräber und lässt die Angehörigen der Opfer auf Kosten sitzen.

Die Möglichkeiten von Garzón gingen gegen Null, als ihm die Regierung die Unterstützung für seinen ohnehin nur zaghaften Vorstoß verweigerte. Die Verbrechen seien verjährt oder fielen unter die Amnestie, erklärte das Ministerium für Staatsanwaltschaft. Dabei ist die internationale Rechtslage eindeutig. Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren nicht und können nicht amnestiert werden. Hier könnte sich Spanien ein Beispiel an Argentinien nehmen. Doch er beging die Dummheit, als sein Kompetenz juristisch in Frage gestellt wurde, sich in Selbstanmaßung selber für kompetent zu erklären, anstatt die Entscheidung einem übergeordneten Gremium zu überlassen. Das und nur das bricht ihm jetzt das Genick.

Doch was juristisch einwandfrei ist, kann trotzdem ein Skandal sein. Und der wird dadurch vergrößert, dass ausgerechnet die Falange, eine wesentliche Stütze der Franco-Diktatur, und eine weitere rechtsradikale Organisation ihn nun auf die Anklagebank setzen. Auch die Nachfahren haben sich nie von der Diktatur distanziert, die das Land es 40 Jahre tödlich im Griff hatte. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Garzón ausgerechnet vom Dienst suspendiert wird, weil er Massengräber öffnen lassen wollte, in denen die Falange, Guardia Civil, etc. Republikaner, Anarchisten, Kommunisten, Gewerkschaftler, katalanische und baskische Nationalisten verscharrten. Es spricht Bände, dass linke Parteien in Spanien reihenweise verboten werden, woran Garzón federführend mitgewirkt hat, während Faschisten weiter ungehindert agieren dürfen.

Der Kontrollrat vereitelte am Freitag vorerst auch den Versuch Garzóns, sich angesichts der Anklagen an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag versetzen zu lassen. Garzóns Freund und Staatsanwalt am Gerichtshof Luis Moreno Ocampo hatte ihm einen Vertrag als Berater angeboten. Der spanische Kontrollrat hat über die Versetzung noch nicht entschieden und zunächst fünf Stellungnahmen eingeholt. Befragt wird auch der Gerichtshof in Den Haag, ob mit dem Vertrag irgendeine Art von Immunität vor Strafverfolgung verbunden ist. Dazu kommen weitere Gutachten. Gefragt wird, wie die Abwesenheit den anlaufenden Prozess oder die weiteren Verfahren gegen Garzón beeinträchtigen könnten.

Denn vergessen darf nicht, dass gegen Garzón noch zwei weitere Verfahren laufen, die wohl zum gleichen Ergebnis geführt hätten. In einem Fall hat der Oberste Gerichtshof kürzlich geurteilt, dass Garzón Verteidigergespräche von inhaftierten PP Mitgliedern im Korruptionsskandal "Gürtel" abhören ließ. Damit hat das höchste spanische Gericht schon den Weg dafür frei gemacht, dass sich Garzón auch dafür wohl noch vor Gericht verantworten muss. Dem Verfahren gegen eine mutmaßliche illegale Parteifinanzierung hat Garzón, der für schlampige und eigenmächtige Ermittlungen bekannt ist, damit einen Bärendienst erwiesen. Weil er sein Vorgehen nicht genehmigen ließ, können nun die für sich sprechenden Beweise nicht benutzt werden. Wenig rühmlich ist auch, dass derzeit noch ein Verfahren läuft, wonach er Gelder von einer spanischen Großbank erhalten haben soll.