Putin kein Vorbild für Deutschland?

Beim Streit um den Quadriga-Preis geht es weniger um Menschenrechte, sondern um den Streit zwischen Atlantikern und Anhängern eines Bündnisses mit Russland

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Auf der Webseite des Vereins Berliner Netzwerk Quadriga finden sich noch die Preisträger des letzten Jahres mit ihren Lobreden. Darunter Wolfgang Schäuble, dessen Laudator der Bankier Josef Ackermann war und die Bundeswehr, die vom damaligen Obersten Dienstherrn von und zu Guttenberg vertreten wurde. Diese Preisträger dürften noch längere Zeit auf der Webseite zu sehen sewin. Denn jetzt hat die Stiftung mitgeteilt, dass es dieses Jahr keinen Quadriga-Preis geben wird.

Der Grund liegt nun nicht daran, dass es in diesem Jahr keine Kandidaten gibt. Vielmehr gab es Streit um einen der Nominierten, den russischen Premierminister Wladimir Putin. Seit diese Personalie in der letzten Woche bekannt geworden ist, gab es Kritik daran. Der Grüne Politiker Cem Özdemir kritisierte die Entscheidung für Putin, wurde dafür aus Kreisen der Preisstifter der Indiskretion gescholten und trat aus dem Quadriga-Kuratorium aus.

Andere Mitglieder betonten, während der Entscheidung für Putin nicht anwesend und auch nicht vor der Bekanntgabe informiert worden zu sein. Der dänische Künstler Olafur Eliasson gab seinen Quadriga-Preis zurück. Aber erst die Drohung des Preisträgers und ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Vaclav Havel, seinen Preis ebenfalls zurückzugeben, wenn Putin ihn bekommt, hat das Kuratorium zum Umdenken animiert. In einer eilig einberufenen Krisensitzung am 16. Juli wurde dann beschlossen, in diesem Jahr "vollständig auf die Preisvergabe zu verzichten".

Punktsieg der Atlantiker

Die Auseinandersetzung um den seit 2003 jährlich am 3.Oktober verliehenen Preis ist von einer gehörigen Portion Naivität und Heuchelei geprägt. So begründet Özdemir seine Ablehnung damit, dass Putin dafür nicht demokratisch genug sei. Da aber zu den in den letzten Jahren ausgezeichneten unter anderem der afghanische Präsident Hamid Karzai und der ukrainische Wiktor Jutschenko gehören, deren Demokratievorstellungen sich sicher nicht besonders von denen Putins unterscheidet, dürfte die Begründung eher vorgeschoben sein.

Tatsächlich wird in der Auseinandersetzung um den Preisträger Putin eine Auseinandersetzung fortgesetzt, die seit Jahren die Eliten in Deutschland und Europa beschäftigt. Soll das atlantische Bündnis mit den USA fortgesetzt werden oder sich ein von Deutschland dominierter EU-Block eher mit Russland verständigen. Für letztere Option stand der ehemalige Bundeskanzler und Quadriga-Preisträger Gerhard Schröder, der immer wieder Putin verteidigte und von Atlantikern dafür gescholten wurde.

Havel gehörte zu Letzteren und favorisierte, ebenso wie konservative Politiker anderer osteuropäischer Staaten, eine engere Bindung an die USA. Für sie steht Putin, der für ein Widererstarken der in den 1990er Jahren unter Jelzin schwachen russischen Staatlichkeit eintritt, als Vertreter eines russischen Nationalismus, gegen den sie als tschechische, polnische oder ukrainische Nationalisten natürlich zu Felde ziehen. Mit den Eintreten für Menschenrechte hat das alles allerdings wenig zu tun. Zudem ist das auch ausdrücklich nicht das Ziel des Quadrigapreises. Auf der Webseite heißt es:

"Die Quadriga ehrt vier Persönlichkeiten und Projekte, deren Denken und Handeln auf Werte baut. Werte, die Vision, Mut und Verantwortung dienen. Die Quadriga würdigt Vorbilder. Vorbilder für Deutschland und Vorbilder aus Deutschland."

Für die einen gehört eher Putin in diese Reihe, für andere nicht. Das hat mit der Demokratiefrage wenig, mit geopolitischen Interessen aber viel zu tun. Die Atlantiker haben sich bei der Preisfrage mit osteuropäischer Unterstützung vorerst durchgesetzt.