Es gibt kein israelisches Volk

Nach dem höchsten israelischen Gericht gibt es keine israelische Staatsbürgerschaft, sondern nur Juden, Araber, Christen oder Drusen

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Am Mittwoch wies das oberste Gericht die Klage von einigen Bürgern Israels zurück, die forderten, dass in ihren Ausweisen unter Nationalität nicht mehr "Jüdisch", sondern "Israeli" stehen soll. An der Spitze der Gruppe stand der in Jerusalem geborene, 90 Jahre alte Linguist Uzzi Ornan. Er tritt für die Trennung von Kirche und Staat ein, gründete die Liga gegen religiösen Zwang und spricht sich gegen die Beschneidung aus.

Er hatte sich bei der Gründung des israelischen Staates im Jahr 1948 geweigert, als Jude registriert zu werden, und verlangt, dass sie Nationalität stattdessen als "Hebräisch" eingetragen werde. Seinerzeit wurde die Bitte erfüllt. Vor 13 Jahren entschloss er sich schließlich, seine Nationalität in "Israeli" zu verwandeln. Der Innenminister lehnte dies ab, Ornan zog vor Gericht. 2007 schlossen sich ihm weitere bekannte Aktivisten wie die Rechtsanwältin und ehemalige Ministerin Shulamit Aloni N, die 1928 in Tel Aviv geboren wurde.

Das Gericht wies zwar die Klage ab, aber erklärte sich als nicht zuständig für die Einführung neuer Kategorien der Nationalität. Das Gericht will auch nicht, so schrieb Richter Uzi Fogelman, das "prinzipielle" Bestreben der Kläger oder den Diskurs verhindern, der weiter in der Öffentlichkeit stattfinden werde. In der Öffentlichkeit müsse dieser Streit stattfinden, nicht im Gerichtssaal. Richter Hanan Melcer wird allerdings deutlicher, wenn er sagt, dass jetzt Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit unterschiedlich seien. Man könne die verschiedenen Völker oder Ethnien nicht unter einer "neuen Volkszugehörigkeit" vereinen. Das wäre "gegen das jüdische Wesen und die demokratische Natur des Staates".

Das entspricht auch der herrschenden Ideologie, vertreten etwa von Regierungschef Netanjahu, der Israel als Nationalstaat und als jüdischen Staat versteht, gleichzeitig soll er ein demokratischer Staat sein, in dem Juden und Nicht-Juden dieselben Rechte haben. Das wird etwa von den arabischen Bürgern als ethnische Demokratie kritisiert. Jude ist man, wenn man von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Nach dem Zionismus gehört jeder Jude auf der Welt zum jüdischen Volk, dessen Nationalstaat Israel ist. Auf der anderen Seite gelten die Angehörigen der arabischen Minderheit, aber auch Christen und Drusen, zwar als israelische Bürger, aber sie haben keine israelische Nationalität. Netanjahu warnte davor, "nicht nur die einzigartige Verbindung des jüdischen Volks mit seinem Heimatland, sondern auch die Verbindung des jüdischen Volkes zu seinem Staat zu verwischen" ( Einwanderer sollen einen Treueeid auf den "jüdischen und demokratischen Staat" ablegen, siehe auch: Sind Palästinenser die echten "Kinder Israels"?). Die Richter haben diese Konstruktion der zweifachen Staatsbürgerschaft aufrechterhalten, deren Kern die Religion ist.

Ornan kritisiert das Urteil, weil es der Unabhängigkeitserklärung widerspreche, nach der alle Bürger, unabhängig von ihrer Religion, ihrer Abstammung oder ihrem Geschlecht, gleich sind. Mit der dualen Konstruktion habe die "jüdische Mehrheit die totale Kontrolle über das Land". Damit werde "nicht zum Wohl aller israelischen Bürger, sondern nur zum Wohl der gegenwärtigen politischen Mehrheit unter den Juden" gehandelt. Für Ornan ist ein Israeli, wer in Israel geboren ist.