Zwangshilfe für Irland?

Irland wehrt sich gegen eine Nothilfe über den Rettungsschirm, die von der EU und dem IWF trotzdem vorbereitet wird

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Obwohl die Bankenrettung Irland in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von 32% bescheren wird, macht die Regierung weiter auf Normalität und sorgt für schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten. Sogar US-Finanzminister Timothy Geithner drängte die Euro-Länder deshalb, "sehr schnell" zu handeln. Die Lehre aus Griechenland müsse sein, "entschieden zu handeln und nicht zu warten". Geithner erklärte in Washington, die EU habe "sehr solide Finanzinstrumente, um Ländern in Schwierigkeiten zu helfen".

Klar ist, dass im Hintergrund an einem Notfallplan gearbeitet wird. Das gab der EU-Währungskommissar Olli Rehn nach dem Treffen der Euro-Finanzminister am Dienstag nun auch öffentlich zu. An den Gesprächen ist die EU-Kommission, Irland, der Internationale Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) beteiligt.

Das hatte zuvor schon das Wall Street Journal berichtet. Demnach werde über zwei Szenarien debattiert. Auf der einen Seite stehe ein Rettungspaket von 80 bis 100 Milliarden Euro für Irland, an dem sich neben dem IWF auch Großbritannien beteiligen würde, dessen Banken am stärksten in Irland engagiert sind. Diskutiert werde aber auch ein über ein reduziertes und gesondertes Rettungspaket für irische Banken, das einen Umfang von 45 bis 50 Milliarden Euro haben soll. Das ist ungefähr die Summe, die für die Rettung und Abwicklung der von der Immobilienblase gebeutelten Banken notwendig sein soll. Das Hilfsprogramm könne aktiviert werden, wenn es nötig sei, sagte Rehn. Details über die Pläne wollte er aber nicht nennen, er sagte aber, man werde die Bemühungen um ein Notpaket nun beschleunigen und intensivieren.

Die Weigerung der konservativen irischen Regierung sich unter den Rettungsschirm zu begeben, ist sogar unverständlich, denn das Land ist ja nicht wegen zu hoher Ausgaben in diese Lage gekommen, sondern schon das hohe Defizit 2009 entstand vor allem aus der Bankenrettung. Trotzdem müsste das Land bei einem Antrag einen guten Teil der staatlichen Souveränität abgeben und Dublin müsste sich sogar aus Washington vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in die Regierungsarbeit pfuschen lassen. Der IWF würde dem Land noch einen rigideren Sparkurs aufzwingen, als er ohnehin schon von den Konservativen wird.

Was das bedeutet, davon können Griechenland und Rumänien schon ein Liedchen singen. Beide Länder wurden schon in die Rezession zurückgespart, wobei in beiden Fällen das Haushaltsdefizit bisher nicht wie erwartet abgebaut werden konnte. Ungarn dagegen, das mit dem IWF gebrochen hat, der sogar eine Hilfszahlung verweigerte, konnte sein Wachstum im dritten Quartal auf 0,8% steigern, nach 0,4% im Vorquartal.

Letztlich ist die Tatsache, dass sich Irland weigert, trotz des finanziellen Desasters einen Hilfsantrag zu stellen, auch ein neues Ergebnis des schwarz-gelben Schlingerkurses während der Griechenland-Rettung im Frühjahr. Schließlich musste die Bundeskanzlerin Angela Merkel unbedingt den IWF in einen EU-Rettungsschirm einbinden. So wies Irland beim Treffen der Finanzminister gestern in Brüssel den Druck von sich. Den hatte vor dem Treffen der Finanzminister der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy noch einmal deutlich erhöht. Es warnte sogar vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union: "Wir sind in einer Überlebenskrise. Wenn wir mit der Euro-Zone nicht überleben, werden wir auch mit der Europäischen Union nicht überleben."

Spiel auf Zeit

Der irische Ministerpräsident Brian Cowen ließ sich aber nicht beirren. Er erklärte, dass man in Brüssel lediglich mit den anderen Mitgliedstaaten über die Situation in der Euro-Zone diskutiere. Cowen betonte, dass das Land bis Mitte 2011 kein frisches Geld benötige, weshalb Irland die Zinsentwicklung an den Sekundärmärkten zunächst egal ist, auf dem die Renditen für Staatsanleihen explodieren. Dass die Irland-Krise auch die Zinsen für andere Länder in die Höhe schießen lässt und sich deshalb die Krise zum Flächenbrand auf Portugal und Spanien auszuweiten droht, ist für Irland zweitrangig. Schließlich schauen derzeit alle EU-Länder, vor allem die großen Deutschland und Frankreich, auf ihr Wohl. Deutschland profitiert von der Euro-Krise erneut, will davon aber nichts abgeben: Denn wieder fällt der Wert des Euros, womit sich deutsche Exporte verbilligen. Zudem steigt die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen, womit die Zinslast für Deutschland fällt. Hinter dem Berliner Kurs könnte es sich sogar um die deutsche Variante im Währungskrieg mit den USA, Japan und China handeln, der dann aber auf dem Rücken der schwachen Euroländer geführt würde.

Nach dem Treffen der Finanzminister bekräftigten die Euro-Länder noch einmal die Bereitschaft, Irland oder anderen Krisenländern helfen zu wollen. Man wolle "entschlossen und koordiniert zu handeln, um die Stabilität der Eurozone zu sichern", sagte der Vorsitzende der Eurogruppe, der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker. Aber es liege an Irland, einen Antrag auf Hilfen zu stellen. Man darf abwarten, ob heute, wenn die Beratungen von den 16 Ländern der Eurogruppe auf alle Mitglieder der EU erweitert werden, der Druck auf Irland erhöht oder dem Land eine weichere Landung ermöglicht wird, mit dem es die Souveränität nicht aufgeben muss, nur weil es zur Bankenrettung angetreten ist.

Schließlich profitieren davon auch viele europäische Banken. Deutsche Banken haben noch immer 140 Milliarden Euro in Irland stecken, Großbritannien mit 150 Milliarden nur wenig mehr. Allerdings, so erklärte auch Klaus Schweinsberg, Ex-Chefredakteur von "Capital", wurden in den letzten beiden Krisenjahren aus Deutschland schon 100 Milliarden Euro aus Irland herausgezogen. Insofern hätten auch die deutschen Banken "ein klares Interesse, noch weiterhin auf Zeit zu spielen, wie sehr viele Interesse haben, auf Zeit zu spielen." Insofern könne man sich vorstellen, welche massive Lobbying-Politik seitens der Banken gerade gemacht werde. "Gerade die deutschen Banken sind ja noch nicht so aufgestellt, dass sie wahnsinnig viel Fleisch auf den Rippen hätten, um so eine Abschreibung zu schultern", fügte Schweinsberg an.

Die weiteren Beratungen, die sich zunehmend auch nach Dublin verlagern werden, werden auch unter den massiven Verwerfungen an den Finanzmärkten stehen. Angesichts der Krise gingen gestern alle Börsen auf Talfahrt. Sogar der Leitindex an der Wall Street brach ein und der Dow Jones fiel um fast 1,6%. An den europäischen Handelsplätzen ging es noch deutlicher bergab. In Paris ging der CAC sogar um gut 2,6% in die Knie, der Ibex in Madrid um fast 2,5%, der FTSE in London um fast 2,4% und der Dax in Frankfurt um fast 1,9%. An der Abstufung kann man auch ablesen, wie die Börsianer die Verflechtungen mit Irland und Portugal interpretieren.