Polizeigewerkschaft: Freund und Helfer der Rassisten?

Ein bayrischer Kalender offenbart Gesinnungen aus der Mitte der deutschen Ordnungskräfte - Polizeigewerkschaftsvorsitzender Wendt rechtfertigt rassistische Karikaturen: ein Kommentar

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Ein Kalender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) zeigt auf dem Märzblatt einen festgenommenen "Farbigen", der laut Sprechblase ruft "Was heiß' hie' Ve'dunklungsgefah' ...?!"

Die rassistische Qualität der Karikatur ist überdeutlich; allein ein Vergleich mit den Darstellungen der beiden abgebildeten "deutschen Polizeigesichter" spricht Bände. Die Frankfurter Rundschau berichtet dazu mit der passenden Überschrift: "Blankes Entsetzen über rassistischen Polizei-Kalender". Amnesty international und der SPD-Parlamentarier Sebastian Edathy üben scharfe Kritik. Immerhin, für Münchener Dienststellen hat Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer ein Anbringen des hetzerischen Machwerks untersagt. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land ist man fast geneigt, ihn für diese Selbstverständlichkeit zu loben.

Das besagte Märzblatt regt den kritischen Betrachter an, sich einmal Gedanken über jene Fälle von Polizeigewahrsam zu machen, die für "dunkelhäutige Inhaftierte" in der Vergangenheit nicht gut ausgegangen sind. Der Polizeikalender hat laut Frankfurter Rundschau aber noch mehr zu bieten: Im Januar muss z.B. der schwarze Caspar unter den Heiligen Drei Königen den Kamel-Kot von der Straße auflesen. Im August rät die Polizei, unser Menschenfreund und Helfer, einem Selbstmordkandidaten: "Jetzt spring' endlich, du Idiot, ich hab noch anderes zu tun heut!"

Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, offenkundig bemüht, ein rechtes Image aufzupolieren, verteidigt laut FR den rassistischen Kalender. Nein, da werde kein Alltagsrassismus gezeigt, sondern es würden lediglich - ganz humoristisch - "Sprachgebrauch und Alltag von Polizistinnen und Polizisten karikiert". Nach dem lokalen Verbot sei außerhalb Münchens die Nachfrage nach dem Kalender sogar gestiegen. Na, dann wissen wir ja, wie es um das Innenleben und den Alltagsjargon der bayrischen Polizei bestellt sein muss.

Im Juni 2007 habe ich in Rostock anlässlich der Proteste gegen den G8-Gipfel miterlebt, wie Polizeieinheiten aus Berlin und Bayern mit ungezügelter Brutalität gegen gewaltfreie Demonstranten vorgegangen sind ( Bericht eines Demonstranten). Meinen Hinweis auf die Verfassung beantwortete damals ein gepanzerter Polizeibeamter so: Es gäbe in Deutschland "nur ein Grundgesetz", und das sei uns von den Besatzungsmächten nach 1945 gleichsam aufgezwungen worden.

Was ist los in unserer Republik? Rechtsterroristen ermorden, unbehelligt von Polizei und Diensten, zehn Jahre lang Menschen mit Migrationshintergrund (allein die Ermittlungsform belegt strukturelle "Vor-Urteile" bezogen auf eine Gruppe von Mitbürgern; aber es stellt sich auch die Frage, ob nicht staatlich bezahlte Leute noch in ganz anderer Weise die Verbrechen begünstigt haben). Demokratische Kapitalismuskritiker werden von einem Verfassungsschutz mit brauner Vergangenheit observiert. Der öffentlich-rechtliche Hessische Rundfunk strahlt nach Bekanntwerden der NSU-Morde ganz unverdrossen und trotz Protesten gleich zweimal einen Karnevalsbeitrag aus, der mit Stereotypen aus der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit arbeitet und obendrein in einer an Dämlichkeit nicht mehr zu unterbietenden Kulturschublade angesiedelt ist (die närrische Gemeinde klatscht begeistert). Sehr bald bekommen wir einen Bundespräsidenten, der dem populistisch aufhetzenden Sozialdemokraten Thilo Sarrazin Mut bescheinigt hat. Gar nicht so schlimm und auch gar nicht so gemeint gewesen, schreibt allenthalben die bürgerliche Presse der Fast-Allparteienkoalition. Nur: Was heißt heute eigentlich noch "bürgerlich"?