Loriot trifft NSA

Spaß beim Fotografieren einer Spionage-Villa

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In Wien, wo nun auch eine Art Dagger Complex ruchbar wurde, hat sich zwischen einem Polizist und einem fotografierenden Blogger offenbar eine Szene ereignet, die an Loriots legendären Parkplatz-Sketch erinnert. In den vergangenen Tagen war über eine "NSA-Villa" in der Wiener Pötzleinsdorferstrasse berichtet worden, die ein Horchposten des US-Geheimdienstes sei. Die österreichische Regierung bestreitet letzteres jedoch und verlautbart, dort würden "nur Zeitungen ausgewertet". Ob die NSA derartiges auch "schriftlich" erklärt hat, oder ob sogar wie dem Kontrollgremium des Deutschen Bundestags "Dokumente" vorgelegt wurden, ist derzeit unklar.

Ein Blogger namens "Raphael" machte sich jedoch den Spaß, jene Villa zu fotografieren, in der offenbar Wiener Zeitungsartikel ausgeschnitten und ins Weiße Haus gefaxt werden. Daraufhin wurde er von einem Polizisten angesprochen, der die Personalien festhalten wollte. In Österreich, wo nicht einmal eine Ausweispflicht besteht, kann die Offenbarung der Identität nur bei Vorliegen gesetzlich definierter Gefahrenlagen verlangt werden. Den Dialog mit dem leicht überforderten Polizisten, den der Blogger daraufhin protokollierte, dürfen wir mit dessen freundlicher Genehmigung wiedergeben:

Objekt U.S.

Nachdem ich heute vom Format bzw Peter Pilz erfahren habe, wo sich das Schüffelzentrum der NSA in Wien befinden soll, wollte ich dem Objekt auch gleich einen Besuch abstatten.

Pötzleinsdorferstrasse 126 – 128

Kurz nachdem ich dieses Foto gemacht hatte, kam auch sofort der Polizist aus seinem Wachposten zu mir.

Polizist: Sie dürfen hier zwar ein Bild machen, aber ich muss von ihnen einen Ausweis verlangen und ihre Daten festhalten.

Ich: Das kann nicht rechtens sein. Solange ich kein Delikt begehe, muss ich mich auch nicht ausweisen.

P: Glauben Sie wirklich?

I: Ja, das steht im Gesetz.

P: Sind sie da sicher?

I: Sie sollten es eigentlich kennen.

Der Polizist wendet sich von mir ab, und ruft den Group4 Sicherheitsdienst-Mitarbeiter des US-Lauschpostens.

Group4 Sicherheitsdienst-Mitarbeiter

P: Er gibt mir keine Daten her. Er muss mir die Daten geben. Geh' hol mir einen Funkwagen her bitte. Mein Handy ist leer, und das Funkgerät ist auch vor zwei Minuten leer geworden.

Ich verabschiede mich vom Polizisten und setze mich auf mein Fahrrad. Der Polizist hält meinen Lenker fest und sagt:

P: Sie fahren nicht. Ist das klar bitte? Ich brauch' einen Ausweis.

I: Bin ich festgenommen?

Der Polizist hält immer noch meinen Lenker fest und sagt

P: Nein, sie sind nicht festgenommen.

I: Dann darf ich jetzt fahren bitte.

P: Nein, Sie dürfen ganz sicher nicht fahren.

I: Dann bin ich festgenommen.

P: Nein, Sie sind nicht festgenommen.

I: Wenn Sie mich nicht fahren lassen, dann bin ich festgenommen.

P: Wollen Sie's darauf ankommen lassen?

I: Weshalb nehmen Sie mich jetzt fest? Weil ich in der Öffentlichkeit ein Foto gemacht habe?

P: Nein, weil Sie mir keinen Ausweis geben. Aus dem Grund.

I: Ja, aber ich muss ihnen keinen Ausweis geben, wenn Sie mir nicht sagen können weshalb. Weil ich ein Foto gemacht hab, muss ich mich jetzt ausweisen?

P: Das ist ein U.S. Objekt.

I: Wo steht das? Wissen Sie, dass es verboten ist einen ausländischen Geheimdienst zu schützen?

P: Huh? Wer sagt das?

I: § 319 Strafgesetzbuch.

P: Dann ist die U.S. Botschaft zu schützen also auch verboten?

I: Nein, die U.S. Botschaft zu beschützen ist nicht verboten.

P: Wer sagt, dass das ein Geheimdienst ist?

I: Das stand heute in allen Zeitungen.

P: Dass es verboten ist, glauben aber nur Sie. Wenn die Behörde den Auftrag gibt, dass wir hier stehen und den beschützen müssen, dann glaub ich schon …

I: … dann verstößt bereits die Behörde gegen das Gesetz.

P: Das interessiert mich aber wenig. Ich hab die Pflicht das zu schützen. Ok?

I: Aber Sie müssen sich schon ans Gesetz halten, oder?

P: Ich halte mich an meine Anweisungen.

I: Sie müssen die Gesetze einhalten, egal welche Befehle sie bekommen.

P: Ich glaub ich höre schlecht, bitte. Einen ausländischen Geheimdienst zu schützen, das ist ihrer Meinung nach verboten?

I: Ja, § 319 Strafgesetzbuch.

P: Dann handeln wir schon seit 30 Jahren ungesetzlich.

I: Ja, wahrscheinlich.

Weil ich nicht glaube, dass mich der Polizist ohne Identitätsfeststellung fahren lässt, gebe ich ihm dann doch meinen Führerschein. Während er sich ganz langsam die Daten meines Führerscheins notiert, sagt er noch.

P: Wir werden den Funkwagen fragen, ob ein ausländischer Geheimdienst zu schützen ist. Wenn das nämlich verboten wäre, dann wäre mir das nur recht, wenn ich ganz ehrlich bin. Da hätte ich nichts dagegen.

Er hat mir immer noch nicht seine Dienstnummer genannt, und lässt sich jetzt besonders viel Zeit, damit die Verstärkung (der Funkwagen) kommt, bevor die Identitätsfeststellung beendet ist.

P: Wenn Sie so klug sind und glauben, dass das verboten ist, warum haben sie sich nicht schon längst an die diversen Medien gewandt? Das verstehe ich nicht.

I: Warum soll ich mich an die Medien wenden? Wenn das verboten ist, dann sollte ich mich eher ans Gericht wenden und Anzeige erstatten.

P: Das können Sie machen.

I: Ja klar, Sie wollen mich ja auch anzeigen.

P: Ich zeige sie nicht an, bitte. Warum soll ich sie anzeigen? Sie haben ja nichts Verbotenes gemacht.

I: Warum schreiben sie dann meinen Namen auf?

P: Weil ich jeden aufschreiben muss, der hier Fotos macht.

Immer noch malt er jeden Buchstaben langsam von meinem Führerschein ab. Und dann fragt er nochmal nach.

P: Ich verstehe nicht, was da ihrer Meinung nach verboten sein soll. Ich stehe hier verbotenerweise von der Behörde? Und die Behörde ist das Innenministerium.

I: Ja. Das ist interessant, aber das ist so.

P: Das gibt’s ja nicht, bitte. Glauben sie wirklich, dass das so ist?

I: Das steht im Gesetz.

Nachdem er mich noch nach meinem Beruf gefragt hat, ist er endlich bereit mir seine Dienstnummer zu geben.

I: Darf ich jetzt gehen?

P: Nein, ich bin ja noch nicht fertig mit aufschreiben. Haben sie das noch nicht gemerkt?

Jetzt fängt er noch vom Puls4 TV-Team zu reden an, deren Daten er selbstverständlich ebenfalls aufgenommen hat. Er ist zwar längst fertig, wartet aber immer noch auf den Funkwagen und will mir meinen Ausweis nicht zurückgeben.

I: Darf ich meinen Ausweis jetzt bitte wieder haben, oder bin ich festgenommen?

P: Sie müssen warten bis ich die Daten fertig aufgeschrieben hab. Ich weiß noch nicht, wo Sie wohnen.

I: Das brauchen sie auch nicht zu erfahren.

Der Polizist ruft noch einmal ganz verzweifelt in sein anscheinend doch nicht ganz leeres Funkgerät: "Ich brauch den Funkwagen bitte, dringend!" – "Zum Objekt U.S."

I: Schauen Sie, wenn Sie mich anzeigen wollen, können sie das machen. Warum muss ich noch auf den Funkwagen warten?

P: Ich kann sie nicht anzeigen, weil sie haben kein Delikt begangen. Sie haben nur gefilmt, und ich hab hier die Anweisung alle, die hier filmen oder fotografieren aufzuschreiben. Ich hab die Anweisung nicht gemacht. Ich tue hier nur meine Pflicht.

I: Ja, sie sind sehr pflichtbewusst.

P: Und wenn das verboten ist, dann ist mir das nur recht.

I: Wir werden sehen, ob Ihnen das so recht ist.

P: Ihre Adresse bitte, wenn sie mir das noch sagen.

I: Nein, die sag ich Ihnen nicht. Ich bin nicht dazu verpflichtet. Sie können ja im Melderegister nachschauen. Darf ich meinen Führerschein wieder haben?

Widerwillig gibt er mir dann letztlich doch meinen Ausweis zurück.

I: Danke. Auf Wiedersehen!

Auf meinem Rückweg kommt mir dann die Funkstreife mit Blaulicht(!) entgegen.

Nach dem Vorbild des NSA-Spionschutzbunds rufen Aktivisten inzwischen ebenfalls zum "gemütlichen Sonntagsspaziergang/Foto-Safari zur NSA-Villa" auf. Angeblich handele es sich um einen "privaten Spaziergang für Freunde der Architekturfotografie". Um 14.00 Uhr soll es losgehen. Auch ein Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates hat seine Teilnahme angekündigt, als Privatmann selbstverständlich. Ob "Raphael" wohl die Aufführungsrechte seines Dialogs freigeben würde ...? Raphael könnte es damit zu ähnlichem Ruhm bringen wie Daniel Bangert vom "NSA-Spionschutzbund", der seine skurrile Erfahrung mit dem Staatsschutz immer wieder gerne erzählt.