Und Schuld hat... (Tusch)... der Bürger

Außer Kontrolle

Ja, momentan kann man dem Thema Datenschutz nicht entgehen, auch nicht wenn man Brigitte Zypries heisst. Aber wenigstens ist die Suche nach dem Schuldigen leicht: der Bürger. Schliesslich wendet der sich hilfesuchend an Abgeordnete...

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Ja, jetzt kreisen sie wieder wie die Geier um den angeschlagenen Datenschutz, um noch ein Fitzelchen Fleisch zu ergattern und das dann medienträchtig im Schnabel weiterzutragen. Natürlich nicht, um es endgültig aufzufressen, sondern um es dann zu konservieren.

Die Politik entdeckt den Datenschutz als "sexy Thema" und mischt bunt einen Datensammelcocktail, der die Schuld bei den privaten Unternehmen sieht und den Staat als nicht nur sauber, sondern rein deklariert. Sicher, wenn man als gesetzemachender Meister Proper fungiert und die Rahmenbedingungen dafür legen kann, was sauber ist und was nicht, dann ist es leicht, auch noch die letzten Schmieren und Schmierenkomödien als sauber zu bezeichnen. Da wird dann auch die schwarz-weiss gepunktete Weste wieder weiss. Es ist alles eben eine Frage der Definition.

Noch schöner ist es, wenn Madame Z., die deutsche Domina der Vorratsdatenspeicherung, die mit der neunschwänzigen Briefkatze die deutschen EU-Abgeordneten so lange züchtigt, bis sie denn der vom Bundestag abgelehnten Massnahme zustimmen, nun plötzlich das "Hart aber gerecht"-Kostüm gegen das "Die wollen das doch so"-Leibchen austauscht und den Datenmasochismus der gegeisselten Bürger anprangert. Ja, der Datenexhibitionist von heute, er leidet nicht unter der lebenslangen (und darüber hinaus) geltenden Steuernummer, unter Anti-Terror-Dateien und dergleichen, nein, er zieht freiwillig vor Lady Brigitte die Hosen runter, um ihr zu zeigen, dass nichts mehr in seinen Pob... Hosentaschen versteckt ist und seine Lage wirklich so prekär ist, wie er sie darstellte.

Nein, auf Abgeordnetenwatch stellt niemand seine Lage mit realen Zahlen dar, um aufzuzeigen, wie es ihm geht, worunter er leidet - im Gegenteil. "Viele Menschen geben ohne Weiteres persönlichste Dinge preis", sagte Zypries der Financial Times Deutschland. Sie verwies auf eigene Erfahrungen mit der Internetseite abgeordnetenwatch.de, auf der Bürger mit Politikern diskutieren können. "Dorthin wurden mir schon ganze Lebensläufe einschließlich Verdienstdaten geschickt."

Tja, da hat wohl jemand eine Überdosis "Nichts zu verbergen" geschluckt, Lady Z.

Aber klar: Es ist die pure Lust am Datenexhibitionismus, der die Anfragenden dazu bringt ihre Leiden und Nöte durch Zahlen und Fakten zu untermauern. Oder meinte Madame Z. etwa, dass sie es nicht verstünde, dass sich wirklich noch hilfesuchende oder verzweifelte Bürger an sie wenden und ihr Belege dafür liefern, in welcher Notlage sie sich befinden oder worin die Probleme liegen? _Das_ allerdings könnte ich nur zu gut verstehen.

Jetzt wartet man nur noch auf die Schlagzeile "ALGII-Empfänger betteln doch förmlich darum, dass SAT1 und Co bei ihnen aufschlagen, um ihre Wohnung endlich im Fernsehen sehen zu dürfen."