Doping am Arbeitsplatz: DAK gibt Entwarnung

Eine DAK-Studie räumt mit dem Mythos der gedopten Gesellschaft auf. Die Medien allerdings sehen das anders.

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Seit einigen Jahren diskutiert die Fach- und Medienwelt das Gehirndoping. Gibt es Arzneimittel, so die Frage, die den Geist soweit auf Trab bringen, dass dieser mehr schaffen kann? Die kurze Antwort: Wohl eher nicht. Wie so üblich in der erregungssüchtigen Gesellschaft wird gleichwohl behauptet, dass eine Vielzahl von Menschen bereits zu diesen Mitteln greifen würde, um sich fit für den Arbeitsalltag zu halten. Die DAK wollte es genauer wissen und hat eine Studie vorgelegt, in der sie das Dopingverhalten der Deutschen unter die Lupe genommen hat.

Seit einem Tag titeln die Medien nun: "Hunderttausende dopen sich für den Job" (Tagesspiegel), "Jeder Fünfte ist für Doping am Arbeitsplatz" (Focus Online) oder "Wir sind voll gut drauf!" (TAZ). Eine genauere Analyse entwirft ein anderes Bild der Realität.

Bundesweit wurden für die Studie rund 3.000 Erwerbstätige im Alter zwischen 20 und 50 Jahren befragt. Davon gaben 17 % an, schon einmal im Leben ein Medikament zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit oder der psychischen Befindlichkeiten eingenommen zu haben. Von ihrer aktuellen Medikation ist hier zunächst nicht die Rede. Innerhalb dieser Gruppe (N = 514) erfolgte diese Einnahme bei nahezu drei von vier Befragten auf Rat eines Arztes zur Linderung und Therapie einer spezifischen Erkrankung.

143 Befragte gaben an, dass sie ein Medikament ohne medizinische Notwendigkeit einnehmen beziehungsweise irgendwann einmal eingenommen haben. Daraus lässt sich nicht schließen, dass 5 % der aktiv erwerbstätigen Deutschen "dopen". Denn in den überwiegenden Fällen ging es nicht um Doping, sondern um das Wiedererreichen eines Normalzustands. Von den 143 Bürger haben oder hatten die Hälfte der Frauen und 14 % der Männer ein Mittel gegen eine depressive Verstimmung eingenommen. Weitere 47 % bzw. 40 % haben oder hatten Angstzustände bekämpft. Die Antidepressiva und Stimmungsaufheller sind also in die Untersuchung mit eingeflossen. Wirklich geistig gedopt, im Sinne der Einnahme eines Mittels gegen Gedächtnisschwächen haben oder hatten unter 20 % der 143 Fälle. Es existiert kein eindeutiger Trend, wie häufig derartige Medikamente eingenommen wurden bzw. werden. Jeder Dritte antwortete mit "täglich". 29 % antworteten hingegen, dass dies sehr unterschiedlich und vom Präparat oder der persönlichen Verfassung abhängig sei.

Und noch etwas relativiert die Schlagzeilen von der gedopten Gesellschaft. Knapp die Hälfte der befragten Männer und Frauen kauft ihr Mittel der Wahl laut Studie rezeptfrei in der Apotheke um die Ecke. Es kann sich dabei also nicht um ADHS-Medikamente wie Methylphenidat, nicht um Antidementiva (Piracetam, Memantin, Dihydroergotoxin) und auch nicht um Modafinil handeln. Denn die sind rezeptpflichtig.

Die DAK-Studie bemüht sich erfolgreich um die differenzierte Darstellung und schält einen Kern von Bürgern heraus, die, wenn man denn will, als "Doper" bezeichnet werden könnten: 31 Befragte nahmen Medikamente ohne medizinische Notwendigkeit täglich, wöchentlich oder monatlich ein und bezogen zugleich die entsprechenden Präparate ohne Rezept aus unterschiedlichen Quellen. Das entspricht rund einem Prozent aller Befragten.

Das Fazit der Forscher lautet denn auch: "Alles in allem kann nach den Ergebnissen der Bevölkerungsbefragung und den hier zugrunde gelegten Ein- und Ausschlusskriterien, d.h. speziell nach Häufigkeit der Einnahme und der Bezugsquelle bzw. Beschaffungspraxis, von 1,0 % bis 1,9 % 'Dopern' in der Gruppe der aktiv Erwerbstätigen im Alter von 20 bis 50 Jahren ausgegangen werden." Und weiter: "Diese Zahlen stützen u. E. nicht die Annahme, dass es sich beim 'Doping am Arbeitsplatz' bzw. 'Enhancement aktiv Erwerbstätiger' um ein (bereits) weit verbreitetes Phänomen handelt. Vielmehr verstärkt sich der Eindruck, dass in der Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild dargestellt wird."