"Trans ist keine Krankheit, sondern ein Menschenrecht"

Beim weltweiten Aktionstag gegen die Pathologisierung von Transsexuellen wurde auch auf die steigende transphobe Gewalt hingewiesen

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Am 20. Oktober fand der Internationale Aktionstag gegen die Pathologisierung von Transmenschen statt. In über 30 Ländern rund um den Globus gab es Aktionen vom Infostand bis zu Demonstrationen.

Das Berliner Bündnis "Stopp Trans-Pathologisierung" organisierte eine Kundgebung vor dem Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité unter der Parole "Trans ist keine Krankheit, sondern ein Menschenrecht".

Die Aktivisten wenden sich dagegen, dass Menschen, die das ihnen zugeordnete Geschlecht nicht akzeptieren, in diagnostischen Handbüchern, die Ärzten und Psychologen als Grundlage dienen, in die Kategorie Störungen der Geschlechtsidentität eingeordnet werden. Weltweit setzen sich Transmenschen für die vollständige Streichung der Kategorie aus dem Handbuch ein.

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Plakat zum Aktionstag

Besondere Kritik übt das Bündnis an Professor Klaus Beier, der an dem Institut für Sexualwissenschaft lehrt. Es wirft dem Mediziner vor, die Pathologisierung eines 11jährigen Kindes vorangetrieben zu haben, das das ihm zugewiesene männliche Geschlecht nicht akzeptiert und dabei von der Mutter unterstützt wird ( Geschichte vom "Jungen, der ein Mädchen sein wollte"). Der Sorgerechtsstreit um Alex, wie das Kind in den Medien genannt wurde, seine mögliche Zwangseinweisung in die Jugendpsychiatrie und eine damit verbundene Behandlung hin zu einem geschlechtskonformen Verhalten als Junge sorgten Ende März für Diskussionen. Beier und die Charité hatten damals allerdings bestritten, das Kind gegen seinen erklärten Willen oder den erklärten Willen der Mutter aufzunehmen.

Zunahme von transphober Gewalt

Transgender-Aktivisten sehen auch einen Zusammenhang zwischen der Pathologisierung von Transmenschen und der Zunahmen von Gewalt gegen Transmenschen. So heißt es in einer Pressemeldung von Transinterqueer:

"In den letzten Jahren ist in vielen Ländern ein Anstieg transphober Gewalt zu beobachten. Forschungen zeigen, dass 2009 bereits an jedem zweiten Tag der Mord an einer Trans-Person berichtet wurde. In 2008 liegt für jeden dritten Tag eine Meldung vor."

Rechtzeitig zum Aktionstag ist im Verlag AG Spaak ein Büchlein unter dem Titel "Stop Trans*-Pathologisierung" erschienen. Der im Untertitel "Berliner Beiträge für eine internationale Debatte" vertretene Anspruch wird auf den knapp 100 Seiten eingelöst. In den kurzen Kapiteln, wird ein guter Einstieg in die Thematik geliefert.

Soziale Folgen der Ausgrenzung

Ein besonderer Stellenwert wird in dem Buch auf die sozialen Aspekte gelegt, was sicher auch darin liegt, dass die Herausgeberin Anne Allex seit vielen Jahren in der Erwerbslosenbewegung aktiv ist und den Arbeitskreis "Marginalisierte gestern und heute" mitbegründet hat. In ihrem Beitrag zeigt sie die sozialen Folgen der Pathologisierung auf:

"Trans*-Menschen gehören zu einer der am meisten diskriminierten Populationen in Europa. Ihre Erwerbslosenquote ist signifikant höher als beim Rest der Gesellschaft. Sie haben keine Aussicht auf eine der Ausbildung entsprechende Arbeit. Sie sind überwiegend arm und sozial ausgegrenzt."

Die Zuschreibung der Geschlechtsidentitätsstörung führt dazu, dass Transmenschen bei den Jobcentern und Arbeitsagenturen in die Kategorie "erwerbsunfähig" eingeordnet und ausgesteuert werden. Dass aber bedeutet ein Leben am Rande des Existenzminimums. "Landen Erwerbslose nach solchen Feststellungsverfahren in einer kleinen Erwerbsminderungsrente oder in der Sozialhilfe, hat das schwere, dauerhafte Folgen für ihren künftigen Lebensstandard und ihre Lebensqualität", beschreibt Allex die soziale Realität, die nicht nur viele Transmenschen tangiert. So werden in den letzten Jahren immer häufiger ALG II-Berechtigte von den Jobcentern zur Erstellung eines psychologischen Gutachtens aufgefordert. Zu den Begründungen gehört auch eine häufige Krankschreibung vor oder Entlassungen aus Eingliederungsmaßnahmen.