Gorleben: Castor am Ziel, Sanitäter verurteilen Polizeigewalt

Der Atommüll ist an seinem vorläufigen Ziel. Die Proteste haben den Transport länger als je zuvor verzögert

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Der Castor-Transport ist im Gorlebener Zwischenlager angekommen. Nun stehen dort elf weitere Behälter mit hochradioaktivem Müll, obwohl im Sommer schon vor der Einlagerung eine erhöhte Strahlenbelastung gemessen wurde, die den gesetzlichen Grenzwert offensichtlich überschreitet. Jedenfalls kommt die auch bei den amtlichen Nachmessungen heraus, wenn Greenpeace die Fehler heraus rechnet. Die Organisation hat deshalb Strafanzeige gestellt, von der die Staatsanwaltschaft jedoch nichts wissen will.

Die letzten Sitzblockaden auf der Straße vor dem Zwischenlager wurden ziemlich gewalttätig geräumt. Die Beamten machten sich nicht die Mühe, die Menschen wegzutragen, sondern wendeten allerlei schmerzhafte Griffe an. Zum Beispiel wurden Handgelenke verdreht oder in die Augen gegriffen, wie Augenzeugen berichten. Beliebt ist bei den Beamten auch der Griff von hinten in die Nasenlöcher. Offensichtlich werden derlei Techniken vorher trainiert.

In einer Pressemitteilung von X-Tausendmal quer heißt es:

Nach 26,5 Stunden begann die Polizei um 16 Uhr mit der Räumung. Von der Gorleben-Seite aus räumte die niedersächsische Polizei von Anfang an überzogen und völlig unverhältnismäßig. Nur wenige Blockierer wurden getragen, den meisten wurden Schmerzen zugefügt, damit sie selbst von der Straße gehen: Griffe in die Augen, Verdrehen von Handgelenk, Nase, Arm oder Fingern. Bundespolizisten warfen Aktivisten über einen 1,20 Meter hohen Zaun. Mehrere Verletzte wurden den Sanitätern übergeben mit Verdacht auf Rippen-, Arm- und Nasenbrüche, Es wurden mindestens 60 Quetschungen und Prellungen gezählt. (Stand 17:30 Uhr: Notarzt weist fünf Personen ins Krankenhaus ein. Polizei lässt Krankenwagen nicht durch.)

Der Castorticker berichtet, dass der Stützpunkt der Sanitäter im Dörfchen Laasen, das kurz vor Gorleben gelegen ist, die vielen Erschöpften und Durchnässten kaum noch versorgen kann. Zehn Minuten nach Durchfahrt des Transports sei der Stützpunkt von Polizeibeamten überfallen worden, die sich wahllos Menschen rausgegriffen hätten.

In der abschließenden Preesseerklärung des Sanitäter-Teams wurde darauf hingewiesen, dass sie trotz vorheriger Absprachen mit der Polizei mehrfach an ihrer Arbeit gehindert und vereinzelt auch angegriffen und mit dem so gennannten Pfefferspray oder Schlagstöcken verletzt wurden. Zum Vorfall nach Durchfahrt des Transports heißt es: "Die Sani-Station in Laase wurde von der Polizei regelrecht überrannt. Hierbei wurden Sanis bedroht, geschlagen und beleidigt."

Den Gesamteinsatz bilanzierend schreiben die Sanitäter weiter:

Insgesamt haben unsere Erste-Hilfe-Teams 355 Personen, die durch die Polizei verletzt wurden, behandelt, davon 5 Schwerverletzte (Kopfverletzungen durch Schlagstockeinsatz, ein Verdacht auf eine Wirbelfraktur). Ein Drittel der Verletzungen sind auf den Einsatz von OC-Kampfstoff/Pfefferspray zurückzuführen, der andere Teil hauptsächlich auf Schlagstockeinsatz. Eine Person wurde von einem Polizeipferd überrannt. Einer Person wurde ein Zahn ausgeschlagen.

Die Sanitäter weisen nebenbei daraufhin, dass sie auch zehn Polizisten behandelt haben, die entweder selbst Pfefferspray abbekommen hatten oder an Erschöpfungszuständen litten.

Die Anzahl der verletzten Demonstranten sei erschreckend hoch gewesen und liege sicherlich über den genannten 355. Abschließend heißt es:

Wir verurteilen den massenhaften Einsatz von OC-Spray, Schlagstöcken und Pferden. Die von uns beobachteten Situationen wären ohne den Einsatz dieser Hilfsmittel - und damit, ohne eine derart hohe Zahl von Verletzten - lösbar gewesen. Angriffe auf gekennzeichnete ErsthelferInnen sind nicht zu rechtfertigen. Die Menschen, welche sich hier unter hohem Einsatz an Zeit, Geld und Gesundheit am Castor-Widerstand beteiligen, nehmen die Aufgabe ernst, sich als Korrektiv unserer Gesellschaft gegen eine völlig verfehlten Atom- und Endlagerpolitik einzusetzen und dürfen durch polizeiliche Maßnahmen nicht zu Schaden kommen.