"Wichtiger Schritt zum Frieden"

Erstmals haben am Internationalen Menschenrechtstag alle Parteien im Baskenland gemeinsam allen Opfern des jahrzehntelangen Konflikts gedacht

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Erstmals haben alle Parteien im Baskenland aller Opfer des jahrzehntelangen Konflikts mit Spanien gedacht. Alle Mitglieder des Gemeinderats im Seebad Donostia-San Sebastian legten am gestrigen Internationalen Menschenrechtstag eine Blume am Gedenkstein am Rathaus ab. Bürgermeister Juan Karlos Izagirre bewertete es als sehr positiv, dass "ein Minimalkonsens zum Gedenken aller Opfer erreicht" werden konnte. Ähnlich sah es Gorka Landaburu, der 2001 Opfer einer Paketbombe der baskischen Untergrundorganisation ETA wurde und schwer verletzt wurde. "Das ist sei ein wichtiger Schritt zum Frieden", erklärt er Telepolis, denn Opfer habe es auf allen Seiten gegeben.

Ihn erstaunt, dass es so schnell ein Versöhnungsakt möglich war, denn es sei nur ein Jahr vergangen, seit die ETA ihren Kampf eingestellt hat. Für ihn ist bedeutsam, weitere Schritte zu gehen. "Alle müssen sich bewegen", sagt er in Richtung spanische Regierung an, die sich einem Dialog verweigert, auf den Landaburu stets gepocht hat. Zwar sei nun etwas Bedeutsames passiert, doch es müssten noch "viele Schritte auf einem langen Weg" folgen. Notwendig sei, "Erinnerung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung."

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Der Journalist und ETA-Opfer Gorka Landaburu am Denkmal in Donostia-San Sebastian. Bild: R. Streck

Dass die Initiative von der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung und ihrer Partei "Bildu" (Vereinen) kam, zeige, dass diese auf einem "guten Weg" seien, meint der Journalist. Lange Jahre wurde die Bewegung mit der ETA gleichgesetzt und ihre Organisationen und Führer kriminalisiert. Doch ihr Einsatz wird von den Wählern belohnt. Sie wurde bei den Regionalwahlen im Oktober zweitstärkste Kraft.

Doch noch immer wird in der spanischen Rechten gefordert, auch Bildu als Nachfolger der 2003 verbotenen Batasuna (Einheit) zu verbieten. Dabei haben sich wie Bildu längst auch Batasuna von der Gewalt distanziert. Der inhaftierte Batasuna-Sprecher, der maßgeblich den Kurs mitbestimmt hat, hat kürzlich sogar die Auflösung der ETA gefordert. Mit ihrem Schwenk hat die baskische Linke die ETA zur Waffenruhe und letztlich zur Aufgabe des bewaffneten Kampfs ohne Vorbedingungen gebracht.

Die in Spanien regierende Volkspartei (PP) tut sich weiter schwer mit dem Prozess. Sie hatte lange gezögert und erst spät erklärt, am gemeinsamen Gedenken teilzunehmen. Es war die einzige Partei, die sich von den Opfern abgesetzt hat, die nicht auf das Konto der ETA gehen. Ramón Gomez Ugalde, der 2011 für das Bürgermeisteramt kandidierte, legte am Gedenkstein auch ein Blumengebinde ab, auf dem nur von "Terrorismusopfern" gesprochen wurde. Er betonte, seine Partei habe "stets an der Seite der Opfer gestanden".

Klare Fortschritte sieht María Isabel González. Sie ist froh, dass endlich "alles anerkannt wird, was hier passiert ist". Sie ist Witwe des Musikers Alberto Soliño, der von einem Beamten der paramilitärischen Guardia Civil nach einem Konzert in einer Diskothek erschossen wurde. "Jetzt können wir endlich sagen, dass mein Mann ermordet wurde", sagte sie. Ihre Kinder seien besonders froh darüber, dass auch ihr Leid endlich anerkannt wird.

Das gilt auch für Opfer auf Demonstrationen oder Menschen, die bei Straßensperren getötet wurden. Darunter fällt auch eine deutsche Touristin. Maria Alexandra Leckett wurde 1975 auf der Autobahn bei Donostia auf der Durchreise von der Polizei angeschossen und starb danach. Dazu gibt noch eine dritte Opfergruppe: die Opfer staatlicher Todesschwadrone. Die wurden unter der sozialistischen Regierung Gonzalez in den 1980er Jahren aufgestellt. Deshalb war auch die Beteiligung der spanischen Sozialisten (PSOE) an dem Gedenken wichtig.

Wie man im fernen Madrid von der Volkspartei (PP) eine Distanzierung vom Putsch der Generäle und von vier Jahrzehnten der Diktatur und die Aushebung aller Massengräber wartet, wartet man bei der PSOE in der Parteizentrale auf eine Distanzierung von den Todesschwadronen und eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge. Zwar wurden die GAL-Verantwortlichen anders als die franquistischen Verbrecher zum Teil sogar vor Gerichten verurteilt, wie auch ein ehemaliger Innenminister und Staatssekretär, aber sie wurden schnell begnadigt. Das war auch der Fall des Guardia-Civil-Generals Enrique Rodríguez Galindo, der sogar zu einer Haftstrafe von 75 Jahren verurteilt wurde. Er war federführend daran beteiligt, dass zwei baskische Jugendliche aus dem französischen Baskenland nach Spanien entführt und zu Tode gefoltert wurden.