Hacker Gegenkultur

"Immer möglichst kreativ an Probleme rangehen" - Alexander Biedermanns kurzweiliges und sehr informatives Dokumentarfilmdebüt

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"Der meiste Schaden, den der Computer potenziell zur Folge haben könnte, hängt weniger davon ab, was der Computer tatsächlich kann oder nicht kann, als vielmehr von den Eigenschaften, die das Publikum dem Computer zuschreibt. Der Nichtfachmann hat überhaupt keine andere Wahl, als dem Computer die Eigenschaften zuzuordnen, die durch die von der Presse verstärkte Propaganda der Computergemeinschaft zu ihm dringen. Daher hat der Informatiker die enorme Verantwortung, in seinen Ansprüchen bescheiden zu sein." Joseph Weizenbaum

Sie sind Helden der Moderne, aber oft leben sie am Rande oder gar jenseits der Legalität, gerne mit Robin Hood verglichen: Hacker, Spezialisten fürs Infiltrieren von Computernetzen. Spektakuläre "Hacks" und Viren geistern regelmäßig durch die Medien, die wenigsten Täter werden allerdings wirklich verurteilt.

Alexander Biedermanns Dokumentarfilmdebüt Hacker stellt verschiedene Hacker-Generationen und mit ihnen die Kulturgeschichte des Hacker-Wesens vor, die weit zurück reicht bis in die Steinzeit des Internet, die 1970er Jahre, als die CERN-Großrechner noch ungesichert allen Eindringlingen offen standen. Seine Protagonisten kommen zu Wort, aber Biedermann verzichtet auf einen Off-Kommentar. Stattdessen lässt er Bilder sprechen: Straßenszenen, pulsierende Computer-Kunst, alte Fernsehsendungen, elektronische Musik.

Die erste Generation der Hacker waren die Bastler, denen spektakuläre Hacks gelangen wie bei Post und NASA. Reinhard Schrutzki erzählt von der Gründung des Chaos-Computer-Clubs und definiert die frühe Hacker-Ethik:

"Ein Hacker muss immer möglichst kreativ an Probleme rangehen, und Standardlösungen möglichst ausweichen."

Die zweite Generation war etwas weniger technisch interessiert und dafür deutlich politisch engagierter. Der Roman und der Film "23" setzen dieser Generation bereits in den 1990ern ein frühes Denkmal. Im Film erklärt CCC-Sprecher Steffen Wernéry ihre Motivation.

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Seinerzeit spielten gesellschaftlichen Utopien eine wichtige Rolle, mögen sie auch schon früh medial gesteuert worden sein. Die Hacker von heute sind oft Businessmänner. Die Gefahr liegt nahe, ihre Ideale zu verraten. Der Mittdreißiger Marko Rogge repräsentiert die Zwischengeneration; für den Nachwuchs, das Hacken im Hier und Jetzt, stehen Marcell Dietl und Paul Ziegler, beide Anfang 20. Allen Protagonisten gemeinsam sind eine gewisse Berühmtheit in der Gemeinschaft beziehungsweise der Web-Welt für entweder historische "Hacks" oder Viren und Würmer mit neuartigen Eigenschaften. So lernt man in diesem Film auch die verschiedenen Hacker-Mentalitäten kennen: "Hacking ist Kunst", sagt Ziegler, Schrutzki lobt den Hacker als kreative Avantgarde, süchtig nach "einem seltsamen Gefühl von Macht".

Deutlich wird so das doppelte Janusgesicht der Hacker-Kultur: Einerseits sind sie Vertreter der Bürgerfreiheit, die mit ihrem Expertenwissen gefährliche Sicherheitslücken aufdecken und dadurch das Netz sicherer machen, andererseits eitle Egomanen. Zudem rechtfertigt ihre schiere Existenz das Phantom der "Datenterroristen", das dann dazu dient, das Milliardengeschäft einer riesigen Sicherheitsindustrie zu legitimieren, die sich längst verselbständigt hat, und jene Freiheitsrechte unterwandert, die sie doch - wie die Hacker - zu schützen behauptet.