Eine Runde Mitleid für die EU-Abgeordneten bitte

Außer Kontrolle

Ein EU-Abgeordneter hat... weiß es jemand? Wer weiß es? Genau: Er hat politische Macht, die ihm durch Wahlen verliehen wird. Aber weiß das der Abgeordnete selbst etwa nicht?

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Laut Wikipedia hat das EU-Parlament drei wichtige Aufgaben: Gesetzgebung, Haushaltskontrolle und Kontrolle der Europäischen Kommission. Um ein paar Damen und Herren mit diesen Aufgaben zu betrauen, was gemeinhin auch durch entsprechende finanzielle Entlohnung dieser Damen und Herren als recht attraktive Beschäftigung gelten dürfte, tapert der wahlmündige, nicht wahlmüde, Bürger in regelmäßigen Abständen mit einem kleinen oder großen Zettelchen zu einer Wahlurne, kreuzt ein paar Felder an und geht wieder, zufrieden damit, seinem aktiven Wahlrecht nachgekommen zu sein.

Einfache Gemüter könnten nun der Meinung sein, dass damit dem EU-Abgeordneten auch gewisse politische Macht übertragen wird. Aber nein, weit gefehlt, gerade im Finanzsektor ist der EU-Abgeordnete anscheinend wie ein Blättchen im Wind dem Sturm der Finanzlobbyisten ausgesetzt und versucht nun, endlich auf seine Problematik aufmerksam zu machen, bevor sein beherzter Griff nach Stabilität ins Leere rutscht und er quasi im Lobbyistenorkan umkommt.

So jedenfalls mutet es an, wenn die EU-Abgeordneten tatsächlich einen geradezu rührenden Hilferuf von sich geben. Täglich stehen die Ärmsten unter dem Druck des Finanz- und Bankensektors lautet der Text des bisher 22köpfigen Chors der Unterdrückten und Repressionen ausgesetzten Abgeordneten. Und falls jetzt jemand denkt: Du meine Güte, fällt denen denn keine Lösung ein?, dann kann man nur sagen: oh doch. Denn die Zivilgesellschaft soll hier helfend einspringen.

"Die Zivilgesellschaft müsse darum eine oder mehrere Nichtregierungsorganisationen bilden, die sich intensiv mit dem Finanzsektor beschäftigen", lautet die Überzeugung der Gepeinigten, die mit einem Jahresgehalt in Höhe von 91983,72 (12 * 7.665,31 Euro brutto) vor sich hin leiden müssen.

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Giegold beklagt in der Zeitung das Übergewicht der Finanzbranche in den Expertengruppen der EU-Kommission, in denen sich die Brüsseler Behörde für ihre Gesetzesinitiativen beraten lässt. "Niemand weiß, was dort besprochen wird, es werden keine Protokolle öffentlich", sagte Giegold und forderte ein verbindliches Lobbyregister.

Es ist schon tragisch - da werden Menschen mit politischer Macht ausgestattet und dann verstehen die Wähler nicht einmal, dass sie selbst noch NGOs bilden müssen, damit die EU-Abgeordneten dann endlich wieder, ohne Repressalien durch Lobbyisten ausgesetzt zu sein, von dieser Macht auch Gebrauch machen. Warum können die Herren und Damen Abgeordneten nicht einfach knallharte Forderungen stellen, statt sich jammerig zu geben und ihre eigene Hilflosigkeit einzugestehen? Weiß es jemand? Irgendwer?