Watergate in Luxemburg

Geheimdienst wollte Bombenleger-Untersuchung mit Schmutzkampagne gegen Staatsanwalt behindern

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Als der heutige Luxemburger Generalstaatsanswalt Robert Biever 2006 die ominöse Bombenserie der 1980er Jahre wieder aufrollen und die offensichtliche Vertuschung bei den Ermittlungen untersuchen wollte, weckte dies vor allem beim Geheimdienst SREL Interesse. So ließ man man die Ermittler inklusive Staatsanwalt beschatten und versuchte offenbar, den lästigen Staatsanwalt mit fabrizierten Gerüchten über Pädophilie mundtot zu machen. Geplant war anscheinend auch, Staatsanwalt Biever in Thailand eine Falle zu stellen. Derartige Manöver gehören zum traditionellen Repertoire von Geheimdiensten, werden aber in aller Regel nur dann bemüht, wenn man für derartiges Foulspiel eine starkes Motiv hat.

Biever, der die Anklage im Bombenleger-Prozess vertritt, erhob vor dem parlamentarischen Ausschuss und in den Medien Vorwürfe gegen den damaligen Geheimdienstchef Marco Mille, der nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst Sicherheitschef beim deutschen Siemens-Konzern wurde. Auch Staatschef Juncker soll von der Schmutzkampagne gewusst haben. Mille war letztes Jahr ins Zwielicht geraten, weil er eine Unterredung mit Juncker heimlich mit einem in seiner Armbanduhr versteckten Aufnahmegerät mitgeschnitten hatte, was nun einen gewissen Sinn ergibt. Wer genau was veranlasst hatte, ist unklar, Mille bestreitet seine Urheberschaft. In Verdacht geriet vor allem der vormalige SREL-Agent André Kemmer, der später ins Wirtschaftsministerium wechselte und nun zur Luxemburger Polizei geht. Kemmer bestreitet die Vorwürfe. Pikant ist, dass Kemmer Rechnungshofpräsident Gérard Reuter als SREL-Agent rekrutierte, angeblich als Rechtsberater. Reuter, der u.a. auch den Haushalt des SREL zu kontrollieren hatte, musste wegen seiner bislang noch unklaren Rolle in windigen Geschäften den Staatsdienst Ende der 1990er Jahre verlassen, ließ sich jedoch anschließend die Wohnungsmiete vom SREL bezahlen.

Bereits letzte Woche hatten Biever und die seinerzeit für den Bombenleger-Fall zuständige Untersuchungsrichterin Doris Woltz dem damaligen Justizminister und heutige Finanzminister Luc Frieden vorgeworfen, die Ermittlungen behindert zu haben, was dieser zunächst bestritten, dann aber eingeräumt und relativiert hatte. Ähnliches hatte vor vier Jahrzehnten die US-Öffentlichkeit erbost, die ihrem Präsidenten das Abhören der Opposition im Watergate-Hotel wohl hätte durchgehen lassen, nicht aber das Belügen der Öffentlichkeit.