GEZ-Gebühren und ALG II/geringes Einkommen: Neue Hoffnung nach BVerfG-Urteil

Außer Kontrolle

Auch wer nur einen geringfügigen Zuschlag zum ALG II erhielt, musste bisher generell GEZ-Gebühren leisten. Zu Unrecht, urteilte das Bundesverfassungsgericht und entschied auch beim Thema GEZ-Gebühren für Nichtleistungsempfänger

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Wer Arbeitslosengeld II (ALG II) erhält, der ist automatisch von der Verpflichtung zur Zahlung der Gebühr für Rundfunk- und Fernsehempfang (nach der mit dem Einzug der Gebühren beauftragte Zentrale auch GEZ-Gebühr genannt) befreit. So jedenfalls die oft anzutreffende Annahme vieler Menschen. Diese generelle Aussage lässt jedoch ein wichtiges "Aber" außer Acht: Wer nämlich einen Zuschlag zum ALG II gem Sozialgesetzbuch II erhält, der ist keineswegs befreit, sondern muss die vollen Kosten tragen, egal, welche Höhe der Zuschlag beträgt. So jedenfalls war es bisher. Gleichermaßen mussten jene, die zwar nicht mehr als ALG II-Empfänger monatlich zur Verfügung hatten, dennoch GEZ-Gebühr entrichten, denn sie erhielten ja keine Sozialleistungen, die im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGStV) zur Befreiung von der Gebühr führen könnten.

Aus diesen Gründen wandten sich zwei Betroffene an die Gerichte. Sie sahen in der Nichtbefreiung durch die Rundfunkanstalt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Obwohl die Fachgerichte sich jeweils nur auf den Standpunkt stellten, dass nun einmal keine Befreiungsgründe gemäß RGStV oder unbilligen Härten vorlagen, urteilte das Bundesverfassungsgericht nun anders. Es sah in den Entscheidungen einen Verstoß gegen Artikel 3 GG.

Die Beschwerdeführerin, die den ALG II-Zuschlag erhielt, sah allein schon in der Tatsache, dass der Zuschlag nicht einmal die GEZ-Gebühren abdeckte, einen Verstoß der Gleichbehandlung gegenüber anderen ALG II-Empfängern. Das ist nachvollziehbar - denn wenn jemand lediglich den Regelsatz erhält und deshalb keine GEZ-Gebühr zahlen muss, dann ist es kaum logisch, dass jemand, der zwar einen Zuschlag erhält, automatisch zu den GEZ-Zahlern gezählt wird, auch wenn dies bedeutet, dass er dadurch weniger Geld zur Verfügung hat als derjenige, der lediglich die Regelleistung erhält.

"Die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführerin in den Verfahren 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10 wird als Empfängerin eines Zuschlages zum Arbeitslosengeld II gegenüber solchen Empfängern von Arbeitslosengeld II, die keinen derartigen Zuschlag erhalten, schlechter gestellt, weil diese im Gegensatz zu ihr nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV auf Antrag von den Rundfunkgebühren befreit sind. Diese Ungleichbehandlung war jedenfalls in dem Zeitraum nicht gerechtfertigt, in dem der Zuschlag geringer war als die zu zahlenden Rundfunkgebühren, weil die Beschwerdeführerin zur Zahlung der Differenz auf den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II zurückgreifen musste. Gleiches gilt im Fall des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 665/10, der als Rentner ein Einkommen bezieht, das nur geringfügig über den sozialrechtlichen Regelsätzen liegt, und daher gegenüber den Sozialleistungsempfängern benachteiligt ist, weil er auf den dem Regelsatz entsprechenden Teil seines Einkommens zurückgreifen muss, um einen Teil der Rundfunkgebühren zu entrichten."

So urteilte das Bundesverfassungsgericht und ließ auch den Einwand der GEZ, dass die Ungleichbehandlung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung notwendig sei, nicht gelten.

"Die Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages durch die Fachgerichte ist daher in beiden Fällen mit dem Gleichheitssatz nicht mehr vereinbar, ohne dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag selbst verfassungswidrig wäre. Denn die Vorschrift des § 6 Abs. 3 RGebStV, der in besonderen Härtefällen eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorsieht, schafft die Möglichkeit, auch diejenigen Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlag in dem Umfang, in dem die Rundfunkgebühren den Zuschlag übersteigen, von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, obwohl die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV nicht vorliegen. Ebenso erlaubt die Härtefallregelung diejenigen Personen teilweise von den Rundfunkgebühren zu befreien, die zwar keine Sozialleistungen i. S. d. Befreiungstatbestandes beziehen, deren Einkommen die Regelsätze aber nur geringfügig übersteigt, so dass der übersteigende Betrag die Rundfunkgebühren nicht abdeckt." So die Pressemeldung zum Urteil.

Für viele, deren Einkommen nur knapp über dem Regelsatz liegt, dürfte das höchstrichterliche Urteil Grund zur Hoffnung sein. Denn auch wenn Manchen der monatliche GEZ-Beitrag eher wie die bekannten "Peanuts" erscheint, so bedeutet er für viele Menschen, denen lediglich ALG II plus ein geringer Betrag zur Verfügung steht, eine deutliche Belastung, wie auch das oberste Gericht feststellte.