Über Libyen zurück in die Rezession?

Die Warnungen mehren sich, dass der hohe Ölpreis tief zurück in die Krise führt

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Schon im Rahmen der Konflikte in Ägypten wurde vor einem starken Anstieg der Ölpreise gewarnt, welche die wirtschaftliche Entwicklung schwer belasten würden. So wurde schon damals befürchtet, dass sich eine mögliche Schließung des Suezkanals auf den Ölpreis auswirken würde. Schlimmer, so sagte zum Beispiel Dr. Rolf Hartl von der Schweizer Erdölvereinigung, würde es, wenn es zu einer Ausweitung der Konflikte auf Erdöllieferanten wie Libyen käme, dann "hätte dies wohl dramatische Auswirkungen auf den Ölmarkt."

Waren die Ölpreise schon im Rahmen der Krise in Ägypten gestiegen und hatten die symbolische Marke von 100 US-Dollar für ein Barrel (159 Liter) geknackt, so steigt mit der Libyen-Krise der Ölpreis erst so richtig an. Schon am Montag wurde die Schwelle von 105 Euro überschritten. Am späten Dienstag kostete die Nordseesorte Brent schon 107 Dollar und war sogar auf einen Wert von über 108,5 Dollar gestiegen. Die Aufschläge fielen beim US-Pendant wieder deutlich höher aus, weshalb sich die Differenz zwischen beiden Referenzsorten weiter verringert. Das Fass des West Texas Intermediate (WTI) stieg in der Spitze sogar auf fast 98,5 Dollar. Inzwischen wird allseits damit gerechnet, dass der Preis für das Barrel der Nordseesorte Brent auf 110 Dollar steigen wird. Denn es springen seit Wochen auch erneut Spekulanten auf den Zug auf, die auf Öl-Futures setzen und den Aufwärtstrend weiter verstärken.

Inzwischen sprach Nobuo Tanaka, Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), klare Worte. Man sei sehr besorgt über die Lage, weil sie ein Risiko für die stabile Ölversorgung sei, sagte Tanaka am Dienstag. Sollte der Ölpreis im Rest des Jahres über der Marke von 100 Dollar verweilen, dann bestehe die Gefahr, in eine Krise wie 2008 zurückzufallen. "If $100 continues through 2011, we call it the oil burden, this will create the same level of crisis as in 2008", sagte er beim International Energy Forum im saudiarabischen Riad gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Tanaka warnte in der saudischen Hauptstadt allerdings davor, in Panik auszubrechen. Anders als damals hätten die OPEC-Länder heute eine Kapazität, täglich die Produktion um 5 Millionen Barrel auszuweiten. 2008 seien es dagegen nur 2 Millionen Fass gewesen. Libyen fördere als drittgrößter Ölproduzent in Afrika etwa 1,6 Millionen Barrel am Tag. Doch die Angst geht um, dass sich die Unruhen weiter ausweiten und auf weitere Ölförderländer übergreifen.

Deshalb wird man an Finanzmärkten immer nervöser. Während der Leitindex DAX am Dienstag nur in Frankfurt leicht ins Minus gedreht war, verzeichneten die übrigen großen Börsen Abschläge von etwa 1% oder sogar deutlich darüber. Hatte der japanische Nikkei-Index am Dienstag knapp 1,8% eingebüßt und der Hang-Seng in Hongkong sogar mehr als 2,1%. In New York gaben die Kurse ähnlich deutlich nach. Der Dow‑Jones‑Index verlor 1,44%, während der breiter gestreute S&P 500 sogar über 2% verlor. Der Handelstag am Mittwoch verläuft in Europa ebenfalls trübe, wo erneut alle Börsen Verluste verzeichnen. Derzeit liegt der DAX sogar mit einem Minus von fast 0,5% an der Spitze.