Von der Leyen empfiehlt von der neuen Versicherungspflicht existenzbedrohten Selbständigen, sich auf offene Stellen zu bewerben

Tim Wessels, der mit seiner ePetition über 80.000 Proteststimmen sammelte, will der Bundesarbeitsministerin seine Bedenken gegen ihre Pläne am Montag persönlich vortragen

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Am 16. Mai berichtete Telepolis über einen Plan der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Selbständigen eine Versicherungspflicht aufzuerlegen, die sie vor Altersarmut schützen soll. Weil viele schlechter verdienenden Freiberufler aber fürchten, mit solch einer Regelung nicht erst im Rentenalter unter das Existenzminimum fallen, sondern schon zum Inkrafttreten des Gesetzes, hatte der IT-Unternehmer Tim Wessels eine ePetition gegen das Vorhaben initiiert, der sich bis zum 22. Mai 80.629 Mitzeichner anschlossen, die befürchten, dass sie durch das geplante "Geschenk an die Versicherungsindustrie" ihren Beruf aufgeben und Hartz IV beantragen müssen. Durch die Vernetzung der Unterstützer, die auf der Petitionsseite und auf Facebook diskutieren konnten, gründete sich außerdem ein "Arbeitskreis gegen die Rentenversicherungspflicht für Selbständige" (AK Rentenpflicht), der die Problematik bekannter machen will.

Das bekam auch Ursula von der Leyen mit, die nun mit einem Video versucht, "Bedenken auszuräumen" indem sie Selbständigen mit geringen Einnahmen beispielsweise empfiehlt, ihre Tätigkeit aufzugeben und sich auf offene Stellen zu bewerben, von denen es angeblich eine Million gibt. Außerdem hat sie den Petitionsinitiator Tim Wessels zusammen mit Andreas Lutz vom Portal gruendungszuschuss.de und Heinrich Kolb, den rentenpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, für Montag zu einem "Dialoggespräch" ins Arbeitsministerium eingeladen.

Wessels wird diesen Termin trotz der teilweise recht zynisch wirkenden Videobotschaft von der Leyens nicht nur wahrnehmen, sondern gibt sich im Vorfeld sogar "vorsichtig optimistisch", dass die Arbeitsministerin die Bedenken seiner Mitzeichner "tatsächlich ernst nimmt und daraus Konsequenzen zieht". Er will ihr am Montag unter anderem klar machen, dass nicht nur die im Video negativ erwähnten Hartz-IV-Aufstocker betroffen sind, sondern viele Geringverdiener, die durch die Versicherungspflicht erst in Hartz IV fallen. Lutz will unter anderem warnen, dass die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland "bereits in den vergangenen Monaten dramatisch abgenommen hat" und dass durch eine künstliche Verstärkung dieses Trends die "Wirtschafts- und Innovationskraft" Deutschlands "erheblich leiden" würde. Ein durch die Versicherungspflicht zu erwartendes Massensterben von "kleinen Läden, Kinos und Cafés" wirke sich zudem kulturell negativ aus.