Freie Musik - so gar nicht langweilig. Ein Anspieltipp

Außer Kontrolle

Free Music Contest zum zweiten (Mal). Der Sampler zum Wettbewerb bietet eine bunte Mischung von Punk über Electropop bis hin zu versponnener Traummusik. Warum nicht mal reinhören?

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Freeloaded, Free Music

Wenn sich in Foren die Gemüter über den Download von Musik entzünden, dann kommt früher oder später auch das "Argument" (sofern als solches bezeichenbar), dass ja die meiste Musik nun einmal den Regelungen der Gema unterliegt, es gäbe zu wenig freie Musik.

Tatsächlich ist die Berichterstattung über freie Musik eher spärlich - ab und an werden sogenannte "Netzphänomene", die über YouTube oder MySpace bekannt werden, von diversen Medien kurzfristig in den Himmel gelobt, aber dann vergessen, während die stetig wachsende Anzahl von freier Musik im allgemeinen höchstens eine Randnotiz wert ist. Das ist bedauerlich, denn es herrscht weder Mangel an freier Musik, noch ist diese, wie von vielen oft angenommen, automatisch laienhafter Ramsch.

So hatte beispielsweise der Free! Music! Contest! (der zum zweiten Mal von der Musikpiraten e.V. veranstaltet wurde) dieses Jahr stark erhöhten Zulauf. 130 Künstler aus über 30 Ländern sandten ihre Titel ein, trotzdem war die Berichterstattung (obgleich Cory Doctorow als Schirmherr fungierte) eher dürftig. Gerade abseits von Bloggern, freien Radios und Internetradios war der FMC eher kein Thema. Dabei lohnt es sich durchaus, in die 36 Stücke, die entweder einzeln oder als Sampler komplett heruntergeladen werden können, einmal reinzuhören, denn die Vielfalt ist groß.

Für jeden etwas

Ebenso groß ist die Vielfalt, was die Downloadmöglichkeiten angeht - ob als Torrent, ogg (Zipdatei)oder mp3(Zipdatei), es dürfte für jeden etwas dabei sein. Jetzt reinzuhören lohnt auch deshalb, weil der FMC mit dem Sampler keineswegs seinen Abschluss gefunden hat.

So heißt es in der Pressemitteilung zum Thema: Bis zum 30.09. läuft nun noch ein Publikumsvoting. Zwischen allen auf der CD vertretenen Bands werden noch 10-T-Shirts, gesponsert von 3DSupply, verlost.

Drei weitere Preise, ein Musikkissen, ein Equalizer-T-Shirt und ein funktionsfähiges(!) Bongo-T-Shirt von GetDigital wurden unter Zuhilfenahme der Zufallsfunktion von OpenOffice.org verlost. Sie gehen an Reboot aus Spanien, die Sanchez Band (ebenfalls aus Spanien) und Tetania aus Weißrussland.

Am 2.10. wird dann der Contest seinen Höhepunkt und Abschluss finden: Das frivole Burgfräulein (Bonn), Shearer (Berlin), lax-o-mat (Chemnitz), oliversebastian.cc (Butzbach) und die Fuzzy Tunes (Darmstadt) werden die Kreativfabrik in Wiesbaden live rocken. Anfahrtskizze siehe: hier.Der Eintritt beträgt 5 Euro, Einlass ist ab 20 Uhr. Sollten sich mindesten 27 Leute bei kopfüber anmelden, wird sogar ein Bus aus Leipzig/Dresden nach Wiesbaden fahren.

Und was bietet der Sampler?

Für diejenigen, die weniger neugierig sind und lieber abwarten, bis es ein paar Kritiken zum Sampler gibt, habe ich ihn einmal komplett durchgehört.

Das frivole Burgfräulein - Erwachsen

Die nach eigener Auskunft "beste Strandpunkband Deutschlands" bleibt sich treu und bringt mit "warum tust du immer so scheiß-erwachsen?" den üblichen schnellen Punksong ein. Nicht innovativ, aber doch wenigstens konsequent. Für Fans von Punk im allgemeinen und mich persönlich erinnert es an Wizo und Daily Terror.

Shearer _ What I want isn't you

Shearer aus Berlin bringen soliden Schrammelrock, des Sängers etwas nölige Stimme wird glücklicherweise durch die ruppigen Gitarrenriffs noch abgemildert, der Refrain ist eingängig und eignet sich gut zum Mitsingen, ansonsten jedoch zwar solide, aber wenig kreativ. Leider eher Standardgitarrenrock ohne Überraschungen.

Mundtot - Haltet die Welt an

Ebenfalls ruppiger Rock mit Frustrations-Attitude im Text. Schönes Crossover zwischen Punk-Refrain und Gitarrenrock mit einem Schuss "Faith no More" in Form von kurzen und knackigen Riffs zwischendurch. Headbangmusik eben :)

Blake Teres - Be cool

Nach drei Rocksongs der erste Nichtrocksong, lässiger Rap nach Art von Snoop Dog (der den Vergleich nicht scheuen muss) gemischt mit hübschen Frauengesangsamples. Smoothe Musik zum Chillen würde man das wohl nennen oder auch: Füße hochlegen und Augen schließen. Wer Snoop Dog mag, wird das Stück auch mögen.

Suff-X - Blow-Jobbers

Hoppla, die deutschen Chumbawamba. Musikalisch gesehen Schrammelpunk mit Bläsern, erinnert an "Tubthumping" und bringt gute Laune, obgleich der Text eher unverständlich daherkommt, was an der fehlenden Balance zwischen Musik und Gesang liegt. Schade, denn sicherlich wäre auch der Text empfehlenswert. Auf jeden Fall ein tolles munteres Stück, das durch die Bläser den Gutelaunefaktor noch erhöht. Dass es sehr kurz ist, tut sein Übriges.

I am not lefthanded - Boats

Hm, okay, persönlich nicht mein Fall, erinnert an zu viele "I am concerned"-Songs mit Frauenstimmen und Gitarrengeplinge a la Suzanne Vega und Co. Die verhaltene Stimme mit dem krächzigen Unterton verstärkt noch die Ähnlichkeit mit Vega - und alles im allem fühle ich mich tatsächlich an "Luca" erinnert, der wenig fröhliche Text passt ebenfalls.

Square Flare - Mandala

Autsch! Die Streichinstrumente kommen überraschend und sägen sich zunächst in den Gehörgang, die bedrohlich aufkommende Musik dazu erinnert an Gruselfilmsoundtracks, wird dann aber durch ein elegant gespieltes Schlagzeug und experimentellen Einsatz weiterer Instrumente sowie den eingestreuten Gesangparts zu einem Stück, das stets darauf warten lässt, dass etwas passiert: der Song auf einmal wie beim Crossover durchbricht, der Gesang bzw. der Text lauter wird... Nichts davon passiert, was die Spannung den ganzen Titel durch erhöht. Gelungenes Experiment, die Streichinstrumente sind phantastisch. Momentan fällt mir da kein Vergleich ein.

One Dice - Wake Up, Sleeper

Erinnerungen an "Jagd auf roter Oktober" werden wach. Nur ein Ping... der Anfang erinnert an ein Echolot, wird dann durch eine verfremdete Frauenstimme im Hintergrund, einen Gesang, der gleichzeitig an die 80er Jahre erinnert, und ein wenig Begleitung durch einen Herren (dessen Text sich in Grenzen hält) verfeinert. The Orb, Anne Clark, Laurie Anderson treffen sich sozusagen zum musikalischen Kaffeeklatsch und die guten alten Buggles schauen auch mal um die Ecke. Hübsch.

The Kyoto Connection - Take on me

Hm, habe ich das schon einmal gehört? Das Klatschen, das Synthi-Gequirle, die Stimme, die zuweilen sogar an Dolores von den Cranberries erinnert. Klingt irgendwie vertraut, ist ansonsten aber nicht wirklich innovativ, eher ermüdend durch den Standardrefrain. Aber im Hintergrund schauen sogar "Maniac" (aus Flashdance) und Thomas Dolby mal durch den Klangteppich.

The Nuri - Masquerade

Wachwerdmusik. Hektisch und laut, dazu noch eine klare Frauenstimme plus ein paar "Ping"-Effekte und ein wenig an Franz Ferdinand erinnernde Gitarren. Dazu noch eine Prise Crossover a la Linking Park - interessant, wenn auch eher in die Kategorie "nun ja, nichts Neues" fallend.

The princess and the pearl - Billows

Ah, ein Klavier! Hübsch. Dazu noch ein paar hübsche Effekte, die gemeinsam mit der sanft vor sich hin plätschernden Frauenstimme an Tori Amos und Enya erinnern. Kennt noch jemand "Orinocco flow"? Mich erinnert dieses Stück daran - sehr nett gemacht und durch die im Hintergrund schwebenden Frauenstimmen perfekt für ein Tänzchen im Wald :)

Mach Fox - Nu dead pretty

Electropunk? Erst denkt man spontan an Billy Idol, den man durch ein paar Rohre geschickt hat, während er statt "White Wedding" "Nu dead..." murmelt und die Band sich nicht zwischen Electro, Duran Duran, Adam and the Ants und britischem Gitarrenrock entscheiden kann. Schönes rockiges Stück mit Electrotouch, bringt Erinnerungen zurück.

Cautiva - Human

Hm, man nehme Gitarrensoli, ein Drischschlagzeug und würze das Ganze mit einer Prise Napalm Death und Extreme Noise Terror. Wie nennt man das nun? Bei den vielen Metal-Abarten komme ich persönlich durcheinander und bevor ich da etwas Falsches sage: Stellt euch einfach einen sehr wütenden Menschen vor, der von ebenso wütenden Musikern begleitet wird. Falls Frauen wirklich darauf achten, dass jemand beim Tanzen weite Bewegungen macht, ist dies der falsche Song für euch, Jungs, hier eignet sich nur gnadenloses Headbangen.

Droegenbwoys - Warn a brother

Ah, der Name, die am Anfang im Hintergrund erklingende Sirene, die nölende Stimme a la Jan Delay - alles klar. Man muss kein Genie sein um zu erraten, worum es bei "warn a brother" geht. Lässiger Track zum Chillen, aber für mich persönlich etwas zu sehr "Gute Laune"-Stück. Wer Eek-A-Mouse mit *Ganya Smuggling* mag, mag auch das hier.

Zoe.Leela - Destroy she says

Na, das ist ja mal überraschend. Eine verzerrt klingende Frauenstimme irgendwo zwischen A. Humpe und Duffy verliert sich in einer Welt aus Urwaldtönen, kurzen und überraschenden Breaks und ein wenig Portishead. Sehr Bristol-orientiert, sehr chic.

Professor Kliq - Cristals

Ach ja, die neue deutsche Welle... und die 80er mit ihrem Synthipop. Beide gehen hier eine nette Symbiose ein, Der Plans "Gummitwist", Anne Clark, Nitzer Ebb und Front242 schauen mal kurz vorbei und auch Thomas Dolby kommt nicht zu kurz. Anhören, unbedingt!

Flint Hayerr - Vibration

Hey, die guten alten Breakbeatz wie einst bei "Sesame Street" oder dergleichen mehr, dazu blubbernde Effekte und "throw your hands in the air"-Technomusik. Nicht mein Fall, ich gebe es zu, aber das Blubbern ist nett.

Fuchs und Elster - Dig for coal

Ah, zum Ausklang der ersten CD gibt es noch einmal glasklare Frauenstimme mit eleganter Relaxmusik. Soulig, lässig, wunderbar versponnen. Sehr schönes Ende des ersten Teils.

Ist da jemand den Musikpiraten etwas schuldig?

Zwangsläufig wird die Frage kommen, was solche Werbung hier zu suchen hat. Aber ich finde, dass freie Musik gefördert werden soll - nicht durch irgendwelche Etats aus der Bundesregierung, sondern dadurch, dass öfter über sie berichtet wird, dass mehr Leute sich trauen, einmal reinzuhören. Der FMC ist dafür eine sehr gute Veranstaltung.

Natürlich kann man sich immer wieder darüber aufregen, wie manche Riesenstars mit ihren Fans umgehen, wie die DVDs und CDs gestaltet sind, dass man nicht sampeln darf, ohne vorher zu fragen usw. Man kann auch sagen "ich sch... drauf" und sich trotzdem alles runterladen und andere Sachen hochladen. Nur: warum nicht auch Alternativen suchen und mal denjenigen eine Chance geben, die sagen "Hier habt ihr was von uns, kostet nichts, wenn es euch gefällt, könnt ihr uns auf die eine oder andere Art unterstützen, aber ihr müsst nicht." Ich finde, das ist eine Sache, die genauso wie freie Bilder, freie Texte, freie Videos, unterstützt werden sollte, damit es vielleicht auch mehr und mehr "Schule macht".

Ich hoffe jedenfalls, den ein oder anderen mal neugierig gemacht zu haben auf den Sampler, so dass er ihn sich herunterlädt und mal reinhört. Den zweiten Teil gibt es morgen :)