Besuch eines in Deutschland unpopulären Politikers

Merkel empfängt Netanjahu in Berlin

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Die deutsch-israelischen Beziehungen sind immer wieder Gegenstand tiefsinniger Beobachtungen. Die Formel, dass die Beziehungen angespannt sind, wird dauernd strapaziert. In den letzten Tagen konnte man sie wieder besonders häufig lesen, denn der israelische Ministerpräsident Netanjahu war zu Besuch in Berlin. Da die israelische Regierung wenige Tage vorher ein neues Siedlungsprojekt genehmigt hat, wurde gleich von einer besonderen Belastung der Beziehungen gesprochen. Warum eigentlich, muss man sich fragen. In der Regel werden bei Staatsbesuchen die aktuellen innenpolitischen Entscheidungen des Gastpolitikers selten so kritisch kommentiert.

Bei dem Besuch wurde eine übliche diplomatische Praxis angewendet. Beide Seiten stellten bei der Pressekonferenz fest, dass man sich einig sei, in der Frage des Siedlungsbaus nicht einig zu sein. Das ist für die Presse wichtig, in der Realität aber ist in dieser Frage nur die Haltung der israelischen Regierung in dieser Frage interessant. Da hätte Merkel nicht noch darauf hinweisen müssen, dass die israelische Regierung ihre Politik eigenständig bestimmt. Dafür hätte sie ihren Satz, den sie auch im Rahmen des Netanjahu Besuchs wiederholte, die Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsraison, schon genauer erklären können.

Wer definiert, was für die Sicherheit Israels notwendig ist? Die israelische Regierung oder die Berater von der Stiftung für Wissenschaft und Politik, die oft harsche Kritiker der israelischen Politik sind? Vielleicht waren diese Fragen Gegenstand der vertraulichen Gespräche zwischen Merkel und Netanjahu, die länger als verabredet dauerten. Im Anschluss sprachen Beobachter davon, dass der israelische Ministerpräsident nach Gesprächen mit Obama deutlich reservierter aufgetreten sei als nach dem Meeting mit Merkel. Das kann natürlich schlicht daran liegen, dass ein Dissens der US-Regierung für die israelische Regierung eine größere Relevanz hat als ein Einwand aus Berlin.

Enthaltung ohne Konsequenz

Auch die Debatte um Deutschlands Enthaltung bei der Abstimmung über die symbolische Aufwertung Palästinas in der UN hat der konservative Publizist Michael Wolffsohn in einem Deutschlandfunk-Interview angenehm unaufgeregt kommentiert:

"Vergessen Sie doch nicht: Was ist denn da in der UNO geschehen? Da hat sich die Bundesrepublik der Stimme enthalten. Frage: Hat eine solche Abstimmung irgendeine Konsequenz? Antwort: Nein! Und die Tatsache, dass Herr Lieberman verschnupft oder vergrippt ist, hat niemanden wirklich in Berlin besonders erschüttert, denn das Verhältnis zu Herrn Lieberman ist nicht nur in den Medien eher negativ. Also kurzum: den Korb etwas niedriger hängen."

Wolffsohn betont auch, dass Israel in Deutschland nie besonders populär war. Damit liegt er wohl jenseits aller Sonntagsreden über das besondere deutsch-israelische Verhältnis und die deutsche Staatsraison richtig. Schon die Anbahnung der Beziehungen zwischen Israel und der BRD waren nur gegen den heftigen Widerstand auch in der BRD durchzusetzen. Wolffsohn wählt schließlich eine doppelte Verneinung, um das aktuell deutsch-israelische Verhältnis auszudrücken:

"Grundsätzlich kann man nicht davon ausgehen, dass diese Bundesregierung nicht zu Israel stünde."

Man kann es auch so ausdrücken: Die Regierung unterstützt Israel, soweit sie dies im Einklang mit den deutschen Interessen sieht. Dass zeitgleich zum Netanyahu-Besuch beschlossen wurde, Patriot-Raketen einer machtbewussten sehr israelkritischen Türkei zur Verfügung zu stellen, liegt auch im deutschen Interesse. Ob es dazu kritische Fragen Netanjahus an Merkel gibt, ist nicht bekannt.