"Gewaltbereiter Rassismus"

Kritiker sehen in der Ausweisungspolitik der französischen Regierung gegenüber den Roma und Sinti Parallelen zum Antisemitismus und erinnern Sarkozy und Co an die EU-Abkommen über die Einhaltung von Minderheitenrechten

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Reportagen schildern ärmlichste Lager der Romas in Frankreich, berichtet wird aber auch davon, dass die meisten Französisch sprechen, schon seit längerem in Frankreich leben, so dass die Kinder Rumänien, wohin sie ausgewiesen werden sollen, gar nicht kennen. Sie fürchten das Schlimmste, noch weniger Einkommen, noch mehr Abneigung, die ihnen entgegen schlägt, von der Bevölkerung, von den Behörden, von der Polizei.

Bis Ende August will die französische Regierung 700 Roma mit Charterflügen in "ihre Heimat" zurückfliegen, auf "freiwilliger Basis", wie es offiziell heißt. Jedem der Ausreisenden würden 300 Euro, sowie 100 Euro pro minderjährigem Kind bezahlt: Innenminister Hortefeux, der sich mit Durchsetzungskraft öffentlich hervortun will, betont stets, dass alles korrekt ablaufe.

Doch das sehen Kritiker ganz anders - und ein klein wenig vielleicht auch der Einwanderungsminister Besson, der versucht die Gemüter zu beruhigen und die Ausweisung als reguläre Angelegenheit darzustellen, wie sie, ohne Aufsehen zu erregen, schon seit längerem praktiziert werde. Ob die kleineren Korrekturen Bessons an den Äußerungen des Innenministers und den "Missverständnissen" in den Medien die Empörung über die laut angekündigten Säuberungsmaßnahmen der Regierung Sarkozy tatsächlich lindern, ist freilich fraglich.

Die Ankündigung, wonach die ersten 79 Roma heute ins Flugzeug nach Rumänien sollen, hat gestern zu harscher internationaler Kritik geführt. So sprach der rumänische Außenminister Teodor Baconschi von einer "xenophoben Reaktionen" und zeigte sich "beunruhigt" angesichts der Gefahr des "Abgleitens in den Populismus", da hier mit kollektiven Anklagen und sogar Kriminalisierungen gegenüber ethnischen Gruppen vorgegangen werde. Er erhoffe sich mit Frankreich stattdessen "eine Zusammenarbeit ohne künstlich herbeigeführtes Fieber". Aus Bulgarien käme ähnlich deutliche Kritik, so die Zeitung Le Monde, die den rumänischen Außenminister zudem mit der Äußerung zitiert, dass man anders als von der französischen Regierung gefordert, die Grenzen nicht dicht machen könne.

Auch der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, kritisierte die geplante Abschiebung der Roma. Die Aktion, die deutlich als Wahlkampf auszumachen ist,unterlaufe nicht nur das europäische Wertesystem, sondern auch Abkommen über die Einhaltung von Minderheitenrechten und die Achtung der Menschenwürde, welche die EU unterzeichnet habe - entsprechende Mahnunungen an Frankreich wurden gestern auch vom Sprecher der EU-Justizkommissarin Viviane Reding geäußert.

Mit den Roma sei "die größte europäische Minderheit erneut einem gewaltbereiten Rassismus ausgesetzt, der mit dem Antisemitismus vergleichbar ist", so Rose gestern im Deutschlandradio Kultur. Gemeinsam sei, dass beide Minderheiten immer wieder Sündenbock-Funktionen übernehmen müssen.

Im Juli hatte der französische Staatspräsident Sarkozy angeordnet, dass alle illegalen Lager der Roma und Sinti geschlossen werden sollte und "jene, die sich des Diebstahls oder des Betrugs schuldig gemacht haben", sofort ausgewiesen werden sollen (siehe "Wir sind genauso Franzosen wie alle anderen auch").