Irans "last chance"

Neue Verhandlungsrunde zum iranischen Atomprogramm, neue Forderungen und gewohnt schlechte Aussichten

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Schon das Scharmützel über den Ort der Gespräche - Iran lehnt Istanbul ab, weil dort die syrischen Opposition häufig tagt und bevorzugt einen neutraleren Ort, im Irak oder in China - zeigt an, dass die neue Verhandlungsrunde zum iranischen Nuklearprogramm von Misstrauen beherrscht wird. In der gegenwärtigen Atmosphäre sieht es nicht so aus, dass man sich von den Gesprächen zwischen Vertretern der fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich sowie den Vertretern Deutschlands mit den iranischen Unterhändlern einen befreienden Durchbruch erwarten kann. Dazu müsste eine der beiden Seiten zu einer Konzession bereit sein, die weit genug geht, um mit einem Überraschungsmoment die verhärteten Lagerpositionen aufzurühren, damit die Möglichkeit für neues Vertrauen geschaffen wird.

Es hatte zunächst den Anschein, als ob die USA einen solchen Schritt in diese Richtung unternehmen. Iran soll das Recht auf zivile Nutzung der Kernenergie zugestanden werden, wurde gestern als neue Verhandlungsposition gemunkelt ( Geht die US-Regierung auf den Iran zu und distanziert sich von Israel?). Zwar ist das internationale Recht ohnehin in der Frage der zivilen Nutzung auf Seiten Irans, die Verhandlungen zum Atomprogramm scheiterten jedoch an der vom Westen gestellten zentralen Bedingung, dass Iran nicht selbst anreichern dürfe. Demgegenüber steht die Position Irans, die davon ausgeht, das zur zivilen Nutzung der Kernkraft auch das Recht zur dazu nötigen Anreicherung von Uran gehöre. Möglicherweise würde der Westen, angeführt von den USA, in dieser Frage eine größere Flexibilität zulassen, so die sachte Hoffnung nach den ersten vagen Meldungen aus Diplomatenkreisen.

Heute zitiert die New York Times nun Konkreteres aus informierten Kreisen. Demnach streckt der Westen - "the Obama administration and its European allies" - in der Frage der Uran-Anreicherung einen kleinen Finger Richtung Teheran aus:

"What we are looking for is a way to acknowledge Iran's right to enrich, but only at levels that would give us plenty of warning if they moved toward a weapon," one European diplomat familiar with the internal debates said.

Doch ist dieses vorsichtig signalisierte Entgegenkommen in ein Forderungspaket gebettet, das es für die iranischen Unterhändler leicht machen wird, die Forderungen mit Verweis auf westliche Arroganz und iranische Souveränität abzulehnen - und dem Westen wird es leicht fallen, erneut darauf aufmerksam zu machen, wie wenig Iran dazu bereit ist, Kompromisse zu machen. Stimmen die Informationen der New York Times, dann will Obama von Iran fordern, dass es die Urananreicherungsanlage Fordo bei Ghom schließt und in einem zweiten Schritt das auf 20 Prozent angereicherte Uran außer Landes zu schaffen - eine Position, die Israel akzeptieren würde.

Iran hatte sich bislang aber den IAEA-Forderungen Fordo betreffend widersetzt. Auf dem früheren Militärgelände nahe Ghom mit einem verzweigten unterirdischen Tunnelsystem soll Platz für 3000 Zentrifugen sein, so der Zeitungsbericht, der darauf aufmerksam macht, dass es für die iranischen Vertreter aus innenpolitischen Gründen schwer sein wird, ohne Gesichtsverlust auf diese Forderung einzugehen.

Festzustehen scheint nach den Informationen der Zeitung, dass man im Westen von der Forderung nach dem Stopp sämtlicher Aktivtäten in Fordo und dem Abbau der Anlage nicht abzurücken bereit ist. Man habe keine Ahnung, wie Iran auf diese Forderung reagieren werde, heißt es aus Regierungskreisen, gleichzeitig war gestern bekannt geworden, dass Obama dem obersten Führer Khamenei die Botschaft zukommen ließ, dass es von größter Dringlichkeit sei, dass Iran ernsthaft verhandle. Obama soll von einer letzten Chance Irans gesprochen haben.