Sparpläne überzeugen nicht

Sogar die Londoner Financial Times kritisiert die Amnestie für Steuerhinterzieher in Spanien hart

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Als am Freitag die konservative spanische Regierung endlich ihren Haushalt 2012 vorgestellt hat, hielt sich Ministerpräsident Mariano Rajoy im Hintergrund. Nachdem er nun 100 Tage im Amt ist, hat er am Montag vor dem Exekutivkomitee seiner rechten Volkspartei (PP) erklärt, die Zeit sei "intensiv und schwierig" gewesen. Rajoy räumte sogar ein, dass die Reformmaßnahmen und der Haushalt auch in den eigenen Reihen auf Widerstand stoßen. "Es gibt viele Maßnahmen, die nicht einmal uns gefallen", sagte er. Ganz im Stil von Angela Merkel erklärte er, sie seien "alternativlos".

Aber die Schonfrist ist für ihn nun auch international vorbei. In Spanien hatte er die ohnehin nie, weil er sofort sehr unpopuläre Maßnahmen ergriffen hat. Er erhöhte die Einkommens- und Grundsteuer deutlich und bestimmte per Dekret eine Arbeitsmarktreform, die auch Abfindungen stark verbilligt hat, womit er zentrale Wahlversprechen brach. Das wurde ihm nicht verziehen, wie auch ein massiver Generalstreik am vergangenen Donnerstag zeigte.

Seit dem Wochenende weht ihm auch aus Wirtschaftsblättern weltweit ein kühler Wind entgegen, in denen er bislang noch geschont wurde. Auch wenn ihm das Wall Street Journal aus den USA einen "energischen Start" bescheinigt, weist die Zeitung darauf hin, dass die Einsparungen von 27 Milliarden Euro die spanische Wirtschaft wohl noch stärker als erwartet schrumpfen lassen wird. Die Regierung erwartet 2012 ein Minus von 1,7%. Das "wirkliche Problem" sei aber die Angst der Investoren, dass die Bankenkrise im Land weit "entfernt von einer Lösung" sei und noch erheblich Risiken berge. Die Banken leiden unter zahllosen faulen Krediten aus der Immobilienblase und eine zweite Fusionswelle schwappt derzeit durch das Land.

Die Londoner Financial Times (FT) zweifelt dagegen per Leitartikel daran, ob die Sparmaßnahmen auch wie geplant umgesetzt werden. Die Zeitung verweist auf die Regionen, die es im Vorjahr der sozialistischen Vorgängerregierung verhagelten, die mit Brüssel vereinbarten Sparziele zu erfüllen. Die werden allesamt von der PP regiert und schon deshalb ist es traurig, wenn Rajoy seine Maßnahmen mit den angeblichen Altlasten der Vorgänger begründet. Dass das nicht mehr verfängt, hat sich in Andalusien und Asturien gerade gezeigt, wo die erwartete Übernahme der Macht an dieser Politik scheiterte.

So hält es die FT zum Beispiel für "verwirrend", dass im Bereich der Arbeitsmarktpolitik überdurchschnittlich 1,5 Milliarden Euro eingespart werden, womit auch Umschulungen und Fortbildungen betroffen sind. Damit könnten unerlässliche Reformen untergraben werden. Tatsächlich spitzt sich die Lage am Arbeitsmarkt immer stärker zu. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist schon im Februar auf 23,6% und damit auf einen neuen Spitzenwert gestiegen. Mehr als die Hälfte aller jungen Menschen sind schon ohne Job, hat die europäische Statistikbehörde Eurostat am Montag bestätigt.

Noch härter wird die Steueramnestie kritisiert. Ob dadurch die erwarteten 2,5 Milliarden Euro in die Staatskassen gespült würden, sei unsicher. Die Regierung will nicht nur Steuerbetrüger straffrei stellen, sie sollen sogar höchstens zehn Prozent auf Schwarzgelder entrichten, um sich freizukaufen. "So gnädig mit Steuerhinterziehern zu sein, kann andere dazu ermutigen, in Zukunft keine Steuern zu bezahlen", meint sogar die FT.

Dass nach dem Generalstreik das Vorhaben, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, aufgegeben werden musste, missfällt dem Blatt natürlich. Denn um das Einnahmeloch zu stopfen, werden im Gegenzug die Unternehmenssteuern erhöht, indem Möglichkeiten zur Abschreibung gestrichen werden. Das sei "merkwürdig" und damit werde es schwerer, notwendige Investitionen anzuziehen. Trotz der populistischen Umkehr, muss sich die Regierung nun unter die Nase reiben lassen, dass die PP noch 2010 eine von den Sozialdemokraten (PSOE) geplante Steueramnestie als "ungerecht" und "anti-sozial" bezeichnete.

"Wir sind gegen Steueramnestien", sagte die PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal. Es könne nicht sein, dass für einfache Menschen die Steuern angehoben werden und Betrüger amnestiert werden. Der Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba kann angesichts der konservativen Amnesie nun erklären: "In diesen ersten 100 Tagen konnten die Spanier feststellen, dass Rajoy in seiner Wahlkampagne nicht ein einziges wahres Wort gesagt hat." Und nun ist es plötzlich der frühere Vizeministerpräsident, der daran zweifelt, dass eine Steueramnestie verfassungskonform ist, die er noch vor zwei Jahren einführen wollte.

Die Kritik und die Zweifel am spanischen Kurs haben Montag an der Madrider Börse deutliche Spuren hinterlassen. Startete die Börse in Frankfurt am Morgen deutlich im Plus, ging der Leitindex Ibex in Madrid sofort in den Keller, wofür vor allem Bankenwerte verantwortlich waren. Der Ibex durchbrach nicht nur die Schwelle von 8.000 Punkten, sondern fiel sogar unter die Marke von 7.900. Damit setzt sich der negative Trend in Madrid fort. Weil Spanien immer stärker als Euro-Sorgenkind gesehen wird, ist der Ibex der einzige Börsenwert, der seit Jahresbeginn deutlich Verluste verzeichnet.