Versorgung der Truppen: Schutzgeld und Straßenzoll für Taliban und Warlords?

Die britische Zeitung Times berichtet von Abmachungen zwischen Sicherheitssubunternehmen und Aufständischen oder auch korrupten Regierungsmitgliedern, damit Konvois sicher passieren können

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Das komplizierte System von gegenseitigen Abhängigkeiten und lokalen Macht-und Kontrolldomänen in Afghanistan wird von einer heutigen Meldung der britischen Zeitung Times sehr deutlich veranschaulicht: Es geht um die Sicherheit der Transportwege, die für den Nachschub der westlichen Truppen benutzt werden - ein Thema, das zur Zeit sehr viel Beachtung bekommt, weil sich hier eine fatale verwundbare Stelle der westlichen Kriegführung auftut (siehe dazu Nato sucht Nordwestpassage nach Afghanistan; jüngste Nachrichten machten zudem darauf aufmerksam, dass die Gegner der westlichen Allianz in Afghanistan den schwachen Punkt genau im Visier haben (siehe Pakistan: Weiter Angriffe auf die Hauptversorgungsader des Westens).

Recherchen der Times bringen nun ans Licht, dass der Nachschub für britische Soldaten anscheinend immer öfter nur mit einer Art Schutzgeldzahlungen an eben jene gesichert werden kann, die man eigentlich bekämpft: Talibangruppen. Die Zeitung läßt sich dabei die Gelegenheit zu einer giftigen Pointe nicht entgehen: Der Westen würde indirekt die Aufständischen in Afghanistan finanzieren, so der Eingangssatz zur Meldung, wenig später darf der begeisterte britische Zeitungsleser seine Unterlippe hüpfen lassen: Auch "britische Steuergelder" wären bei den mehreren Millionen Pfund dabei, die über mittelbar beteiligte Sicherheitsfirmen an die Taleban fließen.

Der Sicherheits-Deal, wie ihn die Times detektiert haben will, hat folgendes grobe Muster: Die Armeen der USA und Großbritanniens vergeben Logistikaufträge an Firmen, die sich neben den Lastern auch um die Sicherheit kümmern sollen, diese geben dann häufig diesen Part der Aufgabe an Subunternehmer weiter. Zu deren Sicherheitspaket gehören dann häufig lukrative Abmachungen mit lokalen Talibangruppen, Warlords, Kriminellen, aber auch Polizisten und Regierungsmitgliedern, damit die Konvois etwa die Straße von Kabul nach Kandahar sicher passieren können. Für einen Transportunternehmer stellt sich die Sache so dar:

"Wir zahlen Zoll an Kriminelle und an die Taliban, um unsere Lastwagen durch die Provinz Ghazni zu bekommen. Es gibt verschiedene Zahlungsmodi. Das geht bis zu einer sehr hohen Ebene in der afghanischen Regierung.[..] Meist haben die (afghanischen) Sicherheitsunternehmen Mittelsmänner, die die Passage des Konvois verhandeln, so dass sie nicht überfallen werden. Sie zahlen pro Konvoy für eine bestimmte Zeit. Sie müssen jeden der Taliban-Kommandeure, der den jeweiligen Abschnitt der Straße kontrolliert, bezahlen. Wenn man von einem Angriff hört, dann heißt das üblicherweise, dass eine neue kleinere (Taliban) Gruppe an diesem Abschnitt angekommen ist."

Der Nato-Sprecher James Gater dementiert die Nachricht nicht wirklich, sondern präzisiert:

"Ich kann bestätigen, dass wir zwei große Unternehmen mit Hauptsitz in Europa beschäftigen, damit sie uns Nachschub an Nahrung und Treibstoff liefern. Aus vertraglichen Rücksichten kann ich keine Namen nennen. Sie sollen auch für die Sicherheit garantieren. Diese Unternehmen sind frei, jeden, den sie wünschen, vertraglich als Subunternehmer zu beschäftigen.[..] Wir wissen, dass sie vorzugsweise mit Unternehmen aus den Ländern arbeiten, in denen sie operieren, also pakistanische Transport-Unternehmen in Pakistan und afghanische Transport-Firmen in Afghanistan. Das ist eine geschäftliche Entscheidung."

Der Vertreter des Schweizer Unternehmens Global Solutions bestätigte gegenüber der Times, dass man Versorgungs-Verträge mit Militärs in Afghanistan habe, wies jedoch jede Unterstellung strikt zurück, wonach man in irgendeiner Form Schutzgeld für die Konvois bezahlen würde. Auch den Subunternehmern sei dies untersagt.

Laut dem afghanischen Sicherheitsfirmenchef, den die Reporter der Times befragten, kassieren die subunternehmenden Security Companies 1000 Dollar pro Laster, ein durchschnittlicher Konvoi besteht aus 40 bis 50 Lastwagen, manchmal sollen es bis zu Hundert sein. Seit 14 Monaten sollen die Angriffe auf die Versorgungshauptadern so häufig geworden sein, dass man die Konvois ohne Bezahlung nicht mehr schützen könne. Die Straße nach Kandahar sei dieses Jahr beinahe täglich angegriffen worden. Es gäbe Unternehmer, die sogar ihre eigenen Taliban-Begleitschutz hätten:

"I won't name the company, but they are from the Panjshir Valley . But they have a very good relation with the Taleban. The Taleban come and move with the convoy. They sit in the front vehicle of the convoy to ensure security."

Auch wenn man in Rechnung stellt, dass die Neigung zu Geschichten mit einigen Übertreibungen in dieser rätselhaften Gegend der Welt nicht zu leugnen ist, so bleibt mehr als ein Sandkorn Unbehagen, dass die Recherchen der Times und die Geschichten vom Talibanbegleitschutz stimmen könnten.