Skalpell statt Hammer: Obama setzt auf den schmutzigen Krieg

Wie die New York Times beschreibt, nähert sich das Pentagon mit gezielten Tötungen und verdeckten Operationen der CIA an

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Wie die New York Times ausführt, ist der unter der Bush-Präsidentschaft begonnene schmutzige und verdeckte Krieg gegen den Terror unter Obama noch weiter ausgebaut worden. Es habe sich als vorteilhaft erwiesen, Schläge gegen vermeintliche Terroristen vor allen in nicht offiziellen Kriegsplätzen heimlich vorzunehmen und dabei nicht den "Hammer" auszufahren, sondern mit dem "Skalpell" vorzugehen.

Das kann auch schief ausgehen, wie die NYT am Beispiel von verdeckten Interventionen im Jemen beschreibt ( US-Strategie: Lieber töten, als Gefangene machen; Jemen: neue Front im Kampf gegen den Terror). Bei einem Luftangriff am 25. Mai, der offiziell der jemenitischen Luftwaffe zugeschrieben wurde, wurde auch der Vizegouverneur der Provinz getötet, der mit ql-Qaida-Leuten verhandeln wollte. Für den Angriff übernahm der jemenitische Präsident die Verantwortung. Am 17. Dezember wurde ein angebliches Lager von al-Qaida mit Streubomben bombardiert. Es stellte sich aber heraus, dass dabei auch mindestens 41 Mitglieder von zwei in der Nähe lebenden Familien umkamen, was al-Qaida gleich zur Propaganda ausbeuten konnte. Das Problem ist wie auch in Afghanistan oder im Irak oft, dass keine vertrauenswürdigen Informanten zur Verfügung stehen und natürlich, dass sich das Pentagon in Abhängigkeit von korrupten Herrschern oder lokalen Machtstrukturen begibt. Die "chirurgischen" Eingriffe dürften, so die NYT, al-Qaida wenig geschadet haben, diese hätten womöglich wegen des verdeckten Krieges ihren Einfluss stärken können.

Obama hat die publ040.107: Befehlsgewalt, die sich Bush als oberster Kriegsherr schon am 14.9. 2001 vom Kongress geben und insgeheim erweitern ließ, bislang in keiner Weise eingeschränkt und nutzt nun die Möglichkeiten, am Kongress und der Öffentlichkeit vorbei den globalen Krieg gegen den Terror (GWOT) weiterzuführen. Mit al-Qaida habe das erste Mal eine Gruppe den USA den "verdeckten Krieg" erklärt, sagt der demokratische Kongressabgeordnete Adam Smith, der im Geheimdienst- und Streitkräfteausschuss sitzt: Wir verwenden ähnliche Mittel der maerikanischen Streitmacht, um auf diesen verdeckten Krieg zu antworten."

Bekannt ist schon lange, dass unter Obama der Einsatz von bewaffneten Drohnen in Pakistan enorm erweitert wurde. Damit werden verdächtige Personen getötet, allerdings häufig auch "Kollateralschaden" verursacht, wenn nicht unbeteiligte Zivilisten ums Leben kommen oder verletzt werden. Die Drohnenangriffe finden rechtlich in einer GRauzone statt ( Verstößt der US-Drohnenkrieg gegen internationales Recht?). Insgesamt, so die New York Times, agiere das US-Militär immer ähnlicher der CIA, weil vermehrt Spezialeinheiten mit Geheimaufträgen eingesetzt werden. Neben Jemen bekämpfen die USA Terroristen auch heimlich in Somalia, Kenia oder Algerien und Marokko. Im Unterschied zu "normalen" Militäreinsätzen kommen die verdeckten Operationen nicht nur billiger, sie sind auch problemloser durchzuführen, wenn sie nicht vom Kongress und der Öffentlichkeit geprüft und diskutiert werden können.

Micah Zenko vom Center for Preventive Action am Council on Foreign Relations analysiert in seinem gerade erscheinenden Buch Between Threats and War. U.S. Discrete Military Operations in the Post-Cold War World die seit 1991 durchgeführten "verdeckten Militäreinsätze". Sie hätten fast nie ihre militärischen oder politischen Ziele erreicht. Trotzdem seien militärische Lösungen bei der Diskussion und der Planung immer attraktiver geworden. Besonders wenn Terroristen Amerikaner bedrohen, so Zenko, gebe es "einen enormen Druck vom National Secutity Council und den Kongressausschüssen, 'etwas zu tun'".

Obama ist angetreten, die im Namen des Kriegs gegen den Terror von Bush begangenen Überschreitungen des internationalen Rechts wieder rückgängig zu machen. Bislang ist nicht viel geschehen. Noch gibt es Guantanamo und Gefängnisse in Afghanistan, mit denen gegen die Genfer Konventionen verstoßen wird, noch finden fragwürdige Prozesse vor Militärgerichten statt und können weiter Verschleppungen und gezielte Tötungen von Verdächtigen ausgeführt werden.