Schocktherapie nach deutschem Vorbild

Frankreich: Um die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen, plädiert ein von der Regierung beauftragter Wirtschaftsexperte für eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten durch Einsparungen der Sozialabgaben

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Der französischen Wirtschaft geht es schlecht. War lange Zeit das Thema Kaufkraft unter Präsident Sarkozy dominierend, so ist es jetzt unter Hollande die Wettbewerbsfähigkeit. Der Anteil der französischen Wirtschaft am globalen Markt ist von 6,3 Prozent im Jahre 1990 auf 3,3 Prozent im Jahr 2011 gefallen. Diese Zahl ist heute in beinahe jedem Artikel zu lesen, der sich mit dem lange erwarteten Bericht des Unternehmers Louis Gallois befasst. Dazu kommt ein wachsendes Außenhandelsdefizit.

Die Regierung hatte den Ex-Chef von EADS und der französischen Eisenbahn SNCF im Sommer gebeten, einen Bericht mit Empfehlungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu verfassen. Der wartet nun mit 22 Vorschlägen zur Verbesserung auf und nennt das eine Schock-Therapie.

Tatsächlich dürfte die sozialdemokratische Regierung vom Kernstück der Vorschläge Gallois, einem Unternehmer mit leichter sozialdemokratischer Tendenz, die ihm nachgesagt wird, etwas schockiert sein. Denn Gallois setzt unverblümt auf Maßnahmen zur Senkung der Arbeitskosten, die die PS-Regierung vor Herausforderungen stellt. Gallois will 30 Milliarden an Sozialbeiträgen sparen, um die Lohnnebenkosten zu senken. Auf Arbeitgeberseite sollen 20 Milliarden an Beiträgen für die Sozialkasse eingespart werden und auf Arbeitnehmerseite 10 Milliarden. Allerdings sind bislang keine Angaben darüber bekannt, wann dieses Sparprogramm einsetzen soll und für wie lange es angesetzt ist. Die Frage, wie dieser Ausfall zu kompensieren sei, wird mit Verweis auf die Mehrwertsteuer (TVA) und die Sozialsteuer (CSG), welche die Haushalte berappen, beantwortet. Im Gespräch ist auch eine Erhöhung der Umweltsteuer.

Dies würde auf die Haushalte zurückfallen und, wie Modellrechnungen zeigen würden, Frankreich nicht aus der wirtschaftlichen Talsohle helfen. Das sei keine Option für die Sozialdemokraten, wie die Wirtschaftsexpertin der PS, Karine Berger, in einiger Deutlichkeit zu verstehen gibt. An eine Senkung der sozialen Unterstützungszahlungen staatlicherseits, um den Ausfall der Beitragszahlungen zu kompensieren, sei nicht zu denken.

Die Regierung will sich erst morgen offiziell zu den Empfehlungen äußern. Doch legen die Äußerungen, die bislang aus Regierungskreisen bekannt wurden, nahe, dass man sich der Schocktherapie, die sich an dem deutschen Modell orientiert, nicht in der vorgeschlagenen Art unterwerfen will.

Verwiesen wird, wie dies auch Karine Berger in ihrem Interview macht, auf jene Vorschläge unter den 22, die ohne solche, schwer vermittelbaren Kosten auskommen: Maßnahmen etwa zur Förderung der Forschung in den Unternehmen, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit "hors coûts" (ohne Kosten). Zwar haben auch diese ihren Preis, aber eben ohne unmittelbare Schockwirkung auf die privaten Haushalte. Der Staat habe seit zehn Jahren die Innovationsfähigkeit der Unternehmen nicht mehr unterstützt, heißt es dazu. Fördern will man, auch hier ist das deutsche Modell im Hintergrund, die mittleren und kleinen Unternehmen. Wie die Absicht konkret umgesetzt werden soll, bleibt noch zu klären.

Umstritten war auch der Vorschlag Gallois, die Förderung von Schiefergas trotz abschlägiger Entscheidungen noch unter der Präsidentschaft Sarkozys ( Das Aus für Schiefergas) im Oktober letzten Jahres, aufzunehmen und mit Nachdruck zu betreiben. Das Büro des Ministerpräsidenten ließ mittlerweile verlauten, dass man in diesem Punkt beim bisherigen Nein bleibe.