Die Zeit arbeitet für die Grünen

Der CDU sterben die Wähler weg. Die Rückeroberung des baden-württembergischen Landtags wird daher im Laufe der Jahre immer unwahrscheinlicher werden

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Die beiden Volksparteien – bei der SPD kann wohl schon fast von ehemaliger Volkspartei gesprochen werden – haben ein demografisches Problem. Eine genauere Aufschlüsselung der Wahlergebnisse nach Altersgruppen auf der Internetseite des ZDFs zeigt, dass sie, und zwar insbesondere die CDU, Alte-Leute-Parteien sind.

Während die CDU in Baden-Württmberg insgesamt nur 39 Prozent der Stimmen erhielt, bekam sie bei den über 60jährigen* 49 Prozent. Auch die SPD wurde in dieser Altersgruppe noch leicht überproportional gewählt (26 zu 23,1 Prozent). In allen anderen Altersgruppen ist ihr Anteil hingegen deutlich unterproportional. Die unter 30jährigen wählten zu 33 Prozent CDU, die 30- bis 44jährigen zu 34 Prozent und die 45- bis 59jährigen zu 32 Prozent.

Ganz offensichtlich muss die CDU davon ausgehen, dass ihr die Wähler wegsterben. Ihre Niederlage am gestrigen Sonntag dürfte daher wahrhaft historisch gewesen sein. Von Legislaturperiode zu Legislaturperiode wird es unwahrscheinlicher werden, dass sich die alten Zustände wieder herstellen lassen

Besonders ausgeprägt ist der Generationenwechsel in Rheinland-Pfalz, wo die Unterschiede des Wahlverhalten wie folgt aussehen: Stimmen für die CDU bei den unter 30jährigen 25 Prozent, bei den 30- bis 44jährigen 33 Prozent, bei den 45- bis 59jährigen 31 Prozent, bei den über 60jährigen 45 Prozent und insgesamt 35,2 Prozent.

Die SPD-Anteile zeigen in der jüngsten Altersgruppe nicht diesen Sprung. Ansonsten gilt meist auch für die Sozialdemokraten, dass sie in den jüngeren Altersgruppen auf unterdurchschnittlichen Zuspruch stoßen. Allerdings sind die Unterschiede weit weniger gravierend als bei der CDU. In Rheinland-Pfalz war zum Beispiel ihr Anteil bei den 44- bis 59jährigen noch fast deckungsgleich mit dem Gesamtergebnis.

Ganz anders die Aussichten für die Grünen. Nach wie vor können sich die Alten nicht für sie erwärmen. Nur 15 Prozent der über 60 jährigen machten in Baden-Württemberg bei ihnen ihr Kreuz (Gesamtergebnis 24,2 Prozent), in Rheinland-Pfalz waren es nur sieben Prozent (Alle 15,4 Prozent). Wesentlich höher ist ihr Anteil hingegen in den anderen drei Altersgruppen. Interessant dabei ist jedoch, dass die Anteile jeweils ähnlich sind. Das heißt, es gibt bei den unter 60jährigen keinen Trend der Art, je jünger, desto höher der Stimmenanteil für die Grünen.

Das spricht auch gegen die Annahme, dass die Wähler im Laufe der Jahre halt immer konservativer werden und sich daher der Hohe Anteil insbesondere der CDU bei den Alten erklärt. Das dem nicht so ist zeigt auch eine Langzeituntersuchung** des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die eine repräsentative Stichprobe von Einzelpersonen über viele Jahre immer wieder zu ihrer sozialen Lage und ihren politischen Präferenzen befragt. Heraus kam unter anderem, dass diejenigen, die sich in jungen Jahren als Anhänger der Grünen bezeichnen dies auch meist über die Jahre bleiben.

Die Grünen sind also die einzige Partei, deren Wählerschaft durch den demografischen Wandel wächst. Nur für die Linkspartei lässt sich vielleicht noch eine ähnliche Entwicklung ausmachen, allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Für die FDP lassen sich keine eindeutigen Aussagen treffen.

Interessant am Rande: Mehr als alle anderen Altersgruppen haben die unter 30jährigen ihr Kreuz bei den „anderen Parteien“ gemacht (Baden-Württemberg 13 Prozent, Rheinland-Pfalz 15 Prozent). Leider gibt es keine Aufschlüsselung, welche der Kleinparteien davon besonders profitiert hat.

* In den Daten des ZDFs bliebt unklar, wo die 60jährigen eingeordnet werden. Einerseits ist von einer Altersgruppe der 45- bis 59jährigen die Rede, andererseits von den über 60jährigen.

** Der Titel der DIW-Pressemitteilung „Genosse Trend ist ein Grüner“ ist eine Anspielung auf ein geflügeltes Wort aus dem Westdeutschland der 60er und 70er Jahre, als die SPD dort auf fast stetig steigende Zustimmung bei den Wahlen zählen konnte.