Tiefe Gräben

Chinas Einkommensunterschiede wachsen weiter. Die Regierung verspricht mal wieder Abhilfe, doch Erfolg ist ungewiss

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China gehört zu den Ländern mit den größten Abständen zwischen armen und reichen Bevölkerungsschichten. Seit vielen Jahren schon wachsen die Einkommen der Städter schneller als die der Landbevölkerung, zu der noch immer knapp 800 Millionen Chinesen zählen, aber auch die meisten Stadtbewohner sind nicht gerade übermäßig wohlhabend. Die rasend schnell wachsende Automobilflotte des Landes könnte einen anderen Eindruck vermitteln, doch der Motorisierungsgrad ist im Vergleich zu Deutschland oder den USA noch immer sehr gering. (Mal ganz davon abgesehen, dass auch hierzulande Autobesitz nicht unbedingt gleich bedeutend mit Wohlstand im Sinne von Lebensqualität ist, aber das ist eine andere Frage.)

Die tiefen Gräben zwischen Arm und Reich stehen jedenfalls nicht nur im krassen Widerspruch zum Programm der regierenden Partei, die sich immer noch als kommunistisch bezeichnet, sie laufen auch der aktuellen makroökonomischen Zielsetzung zuwider. Seit mehreren Jahren hat sich die Regierung in Beijing (Peking) die Entwicklung des chinesischen Binnenmarkts auf die Fahnen geschrieben, doch der Anteil der Löhne und Gehälter am Nationaleinkommen ist rückläufig, und entsprechend wächst der Konsum langsamer als die Wirtschaftsleistung.

Nach einem Bericht der englischsprachige Ausgabe der chinesische Wochenzeitung Economic Observer ist von 1988 bis 2007 der Anteil der Haushalte am Nationaleinkommen von 70,5 Prozent auf 59,1 Prozent gefallen. Der Anteil der Staates sei hingegen um sechs und der der Unternehmen um drei Prozentpunkte gewachsen. Auch der Graben zwischen Stadt und Land vertieft sich: 2009 haben Städter im Durchschnitt das 3,33-Fache eines Landbewohners zur Verfügung gehabt, 2000 wurde in der Stadt hingegen nur 2,79 mal so viel verdient wie auf dem Land und 1978 2,57 mal so viel.

Laut dem erwähnten Bericht haben Regierung und die ihr unterstellte Nationale Entwicklungs- und Reformkommission nun nach mehrfachen Ankündigungen der letzten Jahre eine Einkommensreform in Angriff genommen. Untersucht wird derzeit, wie eine Reform des Steuerrechts zur Umverteilung von Oben nach Unten beitragen könnte. Außerdem ist vorgesehen, einen größeren Teile der Gewinne staatlicher Unternehmen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben heran zu ziehen. Angekündigt wurde bereits, zehn Prozent der Aktien der staatlichen Betriebe in die Sozialversicherungen zu überführen, deren Aufbau ebenfalls seit längerem versprochen wird.

Der Autor bleibt jedoch skeptisch, wie viel davon tatsächlich umgesetzt wird. Kritisch merkt er an, dass die Einkommensreform nicht zu den zehn Prioritäten gehört, die von der Regierung Mitte April benannt wurden.