Deutsche Forschungsgemeinschaft will anonyme Plagiatsvorwürfe unterbinden

Plattformen wie Guttenplag sind der DFG offenbar ein Dorn im Auge – in der Wissenschaft regt sich Widerstand

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Anonyme Plagiatsjäger haben in den letzten Jahren immer wieder Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sie eine Arbeit übernommen haben, die eigentlich die Universitäten selbst hätten leisten müssen: die Aufdeckung von grobem wissenschaftlichen Fehlverhalten wie Plagiaten. Neben Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan sind noch eine ganze Reihe, größtenteils weniger bekannte, Politiker aufgrund der Schwarmintelligenz im Netz über ihre Doktorarbeit gestolpert.

Nach dem Willen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) soll damit nun Schluss sein. Sie hat neue "Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" verabschiedet. Darin heißt es, eine zweckmäßige Untersuchung von Vorwürfen gebiete grundsätzlich, dass der Whistleblower seinen Namen nennt. Er soll sich künftig mit seinen Vorwürfen an einen Ombudsmann an wenden. Der Ombudsmann soll dabei Sorge dafür tragen, dass der Whistleblower ebenfalls anonym bleiben kann und durch seine Vorwürfe keine Nachteile erleidet.

Allerdings ist es mit dem vom DFG geforderten Recht auf Anonymität nicht weit her. So heißt es in den DFG-Empfehlungen: "Eine Offenlegung des Namens gegenüber dem Betroffenen kann im Einzelfall dann geboten sein, wenn sich der Betroffene andernfalls nicht sachgerecht verteidigen kann." Ex-Forschungsministerin Schavan forderte vor gut einem Jahr die Entdecker der Plagiate in ihrer Dissertation auf, ihre Anonymität aufzugeben. "Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen", erklärte sie damals.

Zudem verlangt die DFG, dass alle Anzeigen vertraulich behandelt werden sollten. "Frühzeitig" an die Öffentlichkeit zu gehen, sei "nicht hinzunehmen" - ein deutlicher Wink in Richtung der Plagiatsjäger von Vroniplag und Co.

Die überarbeiteten DFG-Empfehlungen stoßen in der Wissenschaft auf herbe Kritik. Dr. Stefan Heßbrüggen-Walter hat eine Petition gestartet, um die DFG zur Rücknahme ihrer Empfehlungen zu bewegen. Der Philosoph sieht durch sie den Wissenschaftsstandort Deutschland in Gefahr. Es müsse Forschern weiter erlaubt sein, entsprechende Vorwürfe gegen eine Arbeit laut zu äußern, da die Vorwürfe ihrerseits Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit seien, über die allein deren Urheber zu bestimmen hätten.

In einem Interview mit dem Radiosender SWR2 äußerte er zudem die Befürchtung, ohne öffentlichen Druck würden einige wissenschaftliche Einrichtungen Vorwürfe gegen ihre eigenen Angehörigen lieber unter den Teppich kehren. Zudem sei der von der DFG benutzte Begriff Whistleblower in der Wissenschaft nicht definiert, was zu Verunsicherung führe. Durch die Vorschriften der DFG stehe der internationale Ruf der deutschen Wissenschaft auf dem Spiel.

Die DFG betont ihrerseits, dass Whistleblower eine wichtige Rolle in der wissenschaftlichen Selbstkontrolle spielten und einen besonderen Schutz benötigten. Es werde jedoch ein verbindlicher Rahmen benötigt, in dem sie ihre Hinweise geben können.

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