Ein Knopf, ein roter Knopf...

Auf der Digital Life Design 2011 hat Stephanie zu Guttenberg sich dahingehend geäußert, dass bei Chats etc. ein Notfallknopf sein müsse, der den Chat sofort abbricht oder Hilfe (Moderator etc.) ruft. Ein weiteres Beispiel für Aktionismus und Unlogik.

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Nicht zuletzt seit "Tatort Internet" ist die Ehefrau des Verteidigungsministers bekannt für ihr "Engagement gegen Kinderpornographie im Netz". Einige mögen sich fragen, warum der Dame, auch gehässig "Porno-Steffi" genannt, nachdem sie ausgerechnet mit der BILD paktierte, um die Pornoisierung der Gesellschaft zu kritisieren, so viel Aufmerksamkeit zuteil wird und warum nicht einfach die Maxime "Lass die Leute reden" angewandt wird.

Stephanie zu Guttenberg muss dabei aber in einem breiter gefassten Kontext gesehen werden. Sie ist Präsidentin der deutschen Sektion von "Innocence in Danger", einer "Kinderschutzorganisation", die sich vornehmlich auf die Gefahren des Internet kapriziert. Und eben diese Organisation hat durchaus politischen Einfluss. So wird sie durch das Bundesfamilienministerium und die EU gefördert und wurde schon durch Ursula von der Leyen hofiert. Seit Frau zu Guttenberg nun Repräsentantin ist, erhält IoD noch stärkere Aufmerksamkeit. Auch Frau zu Guttenberg gelingt es immer öfter, durch ihre Forderungen und Anmerkungen ins Rampenlicht zu geraten, hier tatkräftig unterstützt von der BILD, die nicht nur eine gute Freundin der Guttenbergs (Anna von Bayern) aufweist, sondern auch das "neue Traumpaar der Politik" medial dauerbegleitet.

Bei der DLD 2011 hat nun Stephanie zu Guttenberg sich erneut zum Thema "Kinderschutz im Internet" geäußert und dabei unter anderem gefordert, dass Anbieter von Chat-Software einen "Lernknopf" und einen "Notfallknopf" integrieren sollten. Hier zeigt sich dann endgültig die Uninformiertheit der Ministergattin, die allem Anschein nach von Dingen spricht, mit denen sie sich kaum beschäftigt. Denn alleine diese beiden "Knöpfe" werfen schon eine Vielzahl von Fragen auf.

So stellt sich die Frage, wer mit "Anbieter von Chat-Software" gemeint ist. Anbieter von IRC-Clients ebenso wie der Betreiber von Onlinechats? Oder nur letztere? Bei beiden kommt als nächstes die Frage, wie so ein Notfallknopf aussehen und was er bewirken soll. Laut Frau zu Guttenberg soll er ein sofortiges Verlassen des Chatraumes bewirken, was bedeutet, dass wohl eher von Communities die Rede ist als vom IRC. Der Notfallknopf soll keinen Moderatoren herbeirufen, sondern das Verlassen des Chatraumes bewirken. Hier ist gleich zweierlei anzumerken. Gerade in den Communities sind die Chats nach Alter gestaffelt, wer sein Alter somit wahrheitsgemäß angibt, kommt in manche Chats gar nicht hinein. Das ist deshalb wichtig, weil die Chats unterhalb einer gewissen Altersstufe unter Daueraufsicht eines Moderatoren stehen, Meldeknöpfe können jederzeit betätigt werden, so dass ein Moderator z.B. über einen Verstoß gegen die AGB, über Beleidigungen oder sexuelle Anmache etc. informiert wird und den Übeltäter verwarnt bzw. des Chats oder der Community verweist.

Für das, was Frau zu Guttenberg vorschlägt, benötigt jedoch niemand einen Notfallknopf, hierzu reicht es, das Chatfenster zu schließen, den Computer herunterzufahren. Wozu bei einem Programm, das mittels einfachem Mausclicks bereits jederzeit beendet werden kann, noch ein Beendigungsknopf notwendig sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Doch noch etwas lässt die Ministergattin hier naiv erscheinen. So soll ein solcher "Notfallknopf" ja auch vor den Gefahren des Cybergrooming schützen, also davor, dass volljährige Menschen minderjährige Menschen sexuell belästigen oder zu sexuellen Handlungen verleiten bzw. zu Treffen motivieren, bei denen sexuelle Handlungen vorgesehen sind. Nun ist es bei solchem "Grooming" notwendig, dass zwischen Opfer und Täter eine Vertrauensbasis entsteht oder aber der seelische Druck so aufgebaut ist, dass das Opfer sich nicht zu entziehen wagt. Entweder es geht also darum, sich erst einmal einzuschmeicheln und dann nach und nach mehr zu fordern, oder es geht darum, den anderen so einzuschüchtern, dass er sich nicht traut sich zu wehren. In beiden Fällen würde ein solcher Notfallknopf rein gar nichts nutzen da das Opfer sich entweder aus Angst oder aus Zuneigung nicht gegen die sexuelle Belästigung oder derartiges wehrt.

Die Forderung nach einem solchen Knopf ist in etwa der Forderung gleichzusetzen, jedem Kind ein Mäppchen mit Notfallnummern zu geben, die es anrufen kann, sollte es sexueller Gewalt ausgesetzt sein. Dass Kinder diese Notfallnummern oft nicht wählen würden, weil sie vor dem Täter oder den Folgen eines Outings Angst haben bzw. sich selbst schuldig fühlen - das ist etwas, was da nicht bedacht wird. Genau wie beim Notfallknopf.

Dass zusätzlich beim DLD 2011 noch ein kambodschanisches Mädchen, das aus einem Bordell gerettet wurde, für den Ruf nach Vorratsdatenspeicherung genutzt wurde, hinterlässt dann endgültig einen bitteren Geschmack im Mund. Der Anfixthese, die von dem Konsum von "Kinderpornographie" zu der Vergewaltigung des nächsten Kindes einen Bogen spannt, wurde nun noch der Trip nach Kambodscha hinzugefügt, den der angefixte Kindervergewaltiger unternimmt - das Ganze garniert mit Empörung und Entsetzen über Menschen- und insbesondere Kinderhandel. Dass gerade diese Straftaten nicht etwa durch das Internet bedingt sind, sondern letztendlich auch eine Folge von Armut, Krieg etc. sind und dass sie zwar verboten sind, jedoch schlichtweg oft nicht verfolgt werden, weil hier auch Korruption eine Rolle spielt, blieb bei der DLD ebenso außen vor wie die Tatsache, dass sexuelle Gewalt noch immer größtenteils im Familien- und Bekanntenkreis stattfindet. Aber dagegen hilft ja auch kein Notfallknopf.