Verkehrte Welt in Sachsen

Verfahren gegen Träger von Hakenkreuz-Tatoo wurde eingestellt, ein Fotograf, der es fotografierte, wird hingegen wegen eines Vergehens gegen das Kunsturhebergesetz belangt

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Weil er das Hakenkreuz-Tatoo auf dem Oberarm eines Fußballspielers fotografierte und das Bild auf der Internetseite seines Fußballclubs "Roter Stern Leipzig" veröffentlichte, soll der Fotograf und Fußballbetreuer Carsten G. nun "wegen Vergehens gegen das Kunsturhebergesetz u.a." angeklagt werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, das am 20.8.2011 aufgenommene Foto des Mike. L. auf der Internetseite seines linken Fußballclubs veröffentlicht zu haben. "Auf diese Weise schufen Sie die Möglichkeit, dass sowohl das Gesicht von Mike L. als auch das Hakenkreuz von jedem Besucher der Internetseite wahrgenommen werden konnte. Dabei wussten Sie, dass das Hakenkreuz als Zeichen der verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) war. Zudem wussten Sie, dass Sie von Mike L. nicht befugt worden waren, sein Bild im Internet zu veröffentlichen..."

Ein zunächst aufgenommenes Verfahren gegen Mike L., der auf seinem rechten Oberarm nicht nur das Hakenkreuz, sondern darunter auch die Abkürzung W.P. (für White Power) tätowiert hat, wurde kurze Zeit später eingestellt. Carsten G. wurde von der Staatsanwaltschaft aufgefordert, 250 Euro Strafe zu bezahlen, dann wäre das Verfahren eingestellt worden.

Damit hätte er die Strafwürdigkeit seines Handels gleichzeitig anerkannt. Das lehnt G. aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Nun erwartet sein Anwalt eine Anklage, die wohl zu einem Prozess führen wird. Der Träger der Hakenkreuz-Tätowierung blieb dagegen straffrei. Der Vorstand des Fußballvereins SV Lipsia 93 schloss allerdings den Spieler mit dem Hakenkreuz aus.

Für den kulturpolitischen Sprecher der Fraktion der Linken im Sächsischen Landtag, Dr. Volker Külow, ist kein Einzelfall. Erst im September 2012 marschierten beim "Tag der Sachsen" in Freiberg Angehörige des Vereins "IG Militärtechnikfreunde Sachsen" in Uniformen der Waffen-SS auf. Ein zunächst aufgenommenes Ermittlungsverfahren wurde inzwischen mit dem Verweis auf die Sozialadäquanzklausel eingestellt. Külow spricht angesichts dieser Beispiele von einem "bekannten Muster in der sächsischen Justiz, die auf dem rechten Auge sehr oft blind ist". Während den Neonazis gegenüber oftmals Verständnis und Wohlwollen begegneten, werde aktiver Antifaschismus häufig kriminalisiert.