Ausverkauf in Portugal

Bei der Privatisierung der Fluggesellschaft TAP ist die Regierung zunächst zurückgerudert

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Im Weihnachtsgeschäft trifft ein Kartenspiel in Portugal auf viel Zustimmung. "Hier kommt die Troika", heißt es. Beim Spiel machen sich die Portugiesen in der landestypischen Art über die Retter des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) lustig. Für 19 Euro erworben, schlüpfen sie in die Haut von korrupten Politikern, einflussreichen Bankern oder Unternehmern von "Portugalandia", privatisieren Firmen, bringen Millionen in Steuerparadiesen in Sicherheit und gewinnen Wahlen mit falschen Versprechen. Gewinner ist, wer am erfolgreichsten das Land ruiniert, bevor die Troika‑Karte gezogen wird. Sie bildet drei finstere Herren in schwarzen Anzügen mit ihren Aktenkoffern ab und beendet das Spiel.

Ganz ernsthaft entscheidet die Regierung noch vor Jahresende darüber, weiteres Tafelsilber zu veräußern. Die Kritiker sprechen vom "Ausverkauf", den die Troika dem Land im Rahmen der Nothilfe mit 78 Milliarden Euro aufgezwungen habe. Nachdem schon die staatlichen Anteile am Energieversorger EDP und am Stromnetzbetreiber REN für knapp 3,3 Milliarden Euro an die chinesischen Firmen Three Gorges und State Grid verkauft wurden, sollen nun die Privatisierungsauflagen komplett erfüllt werden.

Entschieden hat das Kabinett am Donnerstag überraschend, den Verkauf der Fluggesellschaft TAP auszusetzen. Der undurchsichtige Vorgang war besonders stark kritisiert worden. Gewerkschaften hatten der konservativen Regierung unter Pedro Passos Coelho fehlenden "Patriotismus" vorgeworfen, weil die Fluglinie an Germán Efromovich gehen soll. Der brasilianische Unternehmer, der auch über die kolumbianische und neuerdings auch über eine polnische Staatsbürgerschaft verfügt, war als einziger Bieter übriggeblieben. Er wollte die gewinnbringende Airline für nur 35 Millionen Euro kaufen, dazu 316 Millionen investieren und die Schulden von etwa 1,2 Milliarden übernehmen.

Sein Mischkonzern Synergy Group hatte einst die kolumbianische Fluggesellschaft Avianca und Airlines aus Ecuador und Peru übernommen. In Portugal fürchtete man, dass Lissabon seine Drehkreuz-Funktion in die ehemaligen Kolonien wie Brasilien verliere und damit viele der 13.000 Arbeitsplätze. Aus dem Prozess waren große europäische Fluggesellschaften wie die Lufthansa ausgestiegen, die Interesse gezeigt hatten. Efromovich umschiffte mit einem Trick die Vorgabe, dass außereuropäische Investoren nach EU-Richtlinien nur einen Anteil von 49% an europäischen Fluglinien erwerben dürfen. Mit seiner Familiengeschichte, als Sohn jüdischer Eltern, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Südamerika gingen, beantragte er 2012 auch die polnische Staatsbürgerschaft.

Erst am kommenden Donnerstag soll nun über den Flughafenbetreiber ANA entschieden werden, für den auch die deutsche Fraport und die Flughafen Zürich AG mitgeboten haben. Ana betreibt sieben Flughäfen in Portugal, darunter die drei großen in der Hauptstadt Lissabon, in Porto und Faro sowie vier auf den Azoreninseln. Beteiligt ist ANA mehrheitlich auch an zwei Flughäfen auf Madeira. Die Regierung hat für ANA Milliardengebote erhalten. Neben den Frankfurtern und Zürichern haben auch ein spanischer, ein britischer und drei Konzerne aus Südamerika Gebote abgegeben. Der französische Baukonzern und Autobahnbetreiber Vinci soll mit drei Milliarden Euro an der Spitze liegen, wird mit Bezug auf Regierungskreise berichtet.

Wie die Privatisierung von TAP und die des staatlichen Rundfunks RTP wird aber auch die Privatisierung von ANA heftig kritisiert. Eine Gruppe aus 55 Wirtschaftswissenschaftlern hat in einem offenen Brief am Donnerstag "trifte Gründe" gegen die Vorgänge angeführt. ANA und TAP seien "entscheidend" für den Export und den Tourismus. Die "Kontrolle" darüber zu verlieren, sei ein "Schlag gegen die nationale Wirtschaft". Im Export und im Tourismus sieht auch die Regierung angesichts der mit den Sparmaßnahmen eingebrochenen Inlandsnachfrage einen Weg, um aus der tiefen Krise zu kommen.

Tatsächlich waren die Exporte von Waren und Dienstleistungen von Januar bis August um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. ANA und TAP wird dabei eine strategische Bedeutung von Experten beigemessen. Für den portugiesischen Tourismusverband hat Francisco Calheiros gewarnt, dass nach einer Privatisierung die Flughafengebühren bis zu 14% ansteigen können. Calheiros befürchtet, dass dem Tourismus weiterer Schaden zugefügt werde, nachdem die Regierung schon die Mehrwertsteuer erhöht hat. Im Gaststättengewerbe wird statt dem verminderten Satz nun sogar die vollen 23% [http://www.heise.de/tp/artikel/36/36168/1.htmlfällig], womit sich Portugal deutlich verteuert hat.